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Suzanne Vega im Interview: Neues Album, Trump-Kritik und Hommage an Dylan

Nach 16 Jahren Studiopause spricht Songwriterin Suzanne Vega über ihr neues Album, einen verhexten Donald Trump, Liebeserklärungen an Bob Dylan sowie ihre kommenden Konzerte.

Von 
Marcel Anders
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Die US-Sängerin Suzanne Vega. © picture alliance/dpa/TASR

Nach 16-jähriger Pause meldet sich Suzanne Vega mit einem starken Album zurück. Highlight: Eine ungewöhnliche Hommage an Bob Dylan.

Frau Vega, „Flying With Angels“ ist ein ambitionierter Mix aus Folk und Rock. Was wollten Sie uns damit beweisen?

Suzanne Vega: Nichts. (lacht) Wenn ich mit einem Album anfange, habe ich kein Ziel, sondern bin eher verzweifelt, was ich mit meinen Ideen anstellen soll und wie sie zusammenpassen. Deshalb übergebe ich sie meinem Gitarristen Gerry Leonard – und er bastelt daraus etwas zusammen. Das funktioniert immer. Er sagt jedenfalls nie: „Das ist Müll, was soll ich damit?“, sondern hört mir geduldig zu und wartet mit etwas auf, mit dem ich weiterarbeiten kann. Diesmal waren die Einflüsse so vielseitig, dass die einzige Konstante meine Stimme ist. Trotzdem klingt es gut – fragt mich nicht, wieso. (lacht)

Und es kommt mit originellen Texten. Der Song „Witch“ stellt die These auf, Donald Trump sei verhext – und der negative Zeitgeist das Ergebnis von übernatürlichen Kräften, die uns gegeneinander ausspielen. Wie kommen Sie darauf?

Vega: Weil es so scheint, als wäre der Präsident mit einem Zauber belegt. Denn: Nichts von dem, was er sagt, macht irgendwie Sinn. Ich weiß nicht, was mit ihm los ist, aber entweder ist es Hexerei oder er hat etwas Falsches zu sich genommen. Was ich aber weiß, ist: Wir als Bürger müssen die Initiative ergreifen. Wir müssen selbst Verantwortung für unser Leben übernehmen, statt jemandem zu folgen, der offensichtlich nicht richtig tickt.

Wie lange tun Sie sich das noch an – wann verlassen Sie die USA?

Vega: Es ist hart, aber ich bleibe hier, weil es mein Zuhause ist und ich die Hoffnung habe, dass dieses Chaos letztlich zu etwas Besserem führt. Doch dazu bedarf es eines anderen Denkens. Momentan spaltet uns das eher – und darauf zielt es ab. Es ist rot gegen blau, links gegen rechts, Demokraten gegen Republikaner. Das muss sich ändern. Wir müssen uns eher fragen: „Was ist uns wichtig; was bringt uns weiter?“ Und es ist höchste Zeit, zu handeln. Ich versuche zum Beispiel, jeden Tag etwas zu tun, das der richtigen Seite hilft: Ich spende Geld, schreibe Briefe an meinen Kongressabgeordneten oder rufe ihn an. Wenn irgendwo eine Demo ist, nehme ich daran teil. Und das ist der beste Rat, den ich jedem geben kann: Seine Meinungsfreiheit zu nutzen und der Politik auf die Füße zu treten. Denn was in den USA passiert, ist beispiellos – so etwas gab es noch nie.

Zur Person

  • Die US-amerikanische Sängerin und Songwriterin Suzanne Vega wurde 1959 in Santa Monica, Kalifornien geboren. Ihren ersten Song schrieb sie im Alter von 14 Jahren.
  • 1977 schloss sie ihre Ausbildung in Modern Dance an der High School of Performing Arts in New York ab.
  • Während ihres anschließenden Anglistikstudiums trat sie im Künstlerviertel Greenwich Village auf. 1984 erhielt sie ihren ersten Plattenvertrag .
  • Zu ihren bekannteren Songs aus den 80ern und 90ern gehören „Marlene on the Wall“ , „Luka“ oder „No Cheap Thrill“.
  • Der ursprüngliche A-cappella-Song „Tom‘s Diner“ aus den frühen 1980ern war 1990 als Remix des Electro-Duos DNA zusammen mit Vega sehr erfolgreich.
  • „Tom‘s Diner“ war in der Originalfassung das erste Lied im MP3-Format .
  • Die Live-Termine : 04.10. München, 6.10. Hamburg, 8.10. Berlin, 13.10. Luxemburg, 15.10. Offenbach, 16.10. Köln. kako

Dagegen fantasieren Sie in „Chambermaid“ davon, das Hausmädchen von Bob Dylan zu sein. Wie kommt man auf so etwas?

Vega: (lacht) Er ist einer meiner Helden. Und was den Song betrifft: Ich bin eines Morgens mit der Idee aufgewacht und hatte zudem den Song „I Want You“ im Kopf. Also habe ich ein bisschen damit herumgespielt – und das ist das Ergebnis. Das Ganze war in einer Stunde fertig und ein Riesenspaß. Ich habe Bobs Melodie gestohlen, wofür er mir eine Freigabe erteilen musste. Das hat er.

Eine weitere musikalische Heldin, der Sie Tribut zollen, ist Lucinda Williams. Was hat Sie dazu veranlasst?

Vega: Zum ersten Mal auf der Bühne erlebt habe ich sie Ende der 90er. Ich war so geplättet von ihrem Charisma, dass ich mir schon während der Show Notizen gemacht habe, um einen Song über sie zu schreiben, die mir jetzt – während der Albumproduktion – wieder in die Hände gefallen sind. Also habe ich ihre Autobiografie gelesen und den Song zu Ende geführt. Wobei ich mich entschied, mehr über ihren Charakter als ihre äußerliche Erscheinung zu singen. Ich dachte, es wäre gut, da möglichst viel Persönliches von ihr einzubauen, denn sie scheint ein wunderbarer Mensch zu sein: so offen, direkt und ungefiltert.

Im Oktober gehen Sie auf Deutschland-Tour. Was erwartet uns diesmal?

Vega: Meine Gitarre und ich, Gerry Leonard mit seinen Effektgeräten und eine wunderbare, neue Cellistin. Sie übernimmt den Rhythmus und ein paar Solo-Passagen.

Haben Sie auch Luka, Marlene und Tom (die Songs „Luka“, „Marlene on the Wall“ und „Tom’s Diner“, Anm. d. Red.) im Gepäck?

Vega: Immer. Einfach, weil ich sie genauso liebe, wie das Publikum. Manchmal verändere ich die Geschichten ein bisschen, aber ohne geht es nicht. Ansonsten habe ich fünf neue Songs dabei – was für eine gute Mischung sorgen dürfte. Und ich muss sagen, dass ich wirklich gerne nach Deutschland komme. Ich war hier sogar mal mit meiner Mutter unterwegs – weil ihr Vater deutscher Abstammung war: Lloyd Schumacher. Ich denke, er kam in den frühen 1920ern aus Bayern in die USA. Demnach hätte ich also deutsches Blut.

Wenn Sie unterwegs sind: Gehen Sie noch vor die Tür – schauen Sie sich die Städte an, in denen Sie spielen?

Vega: Es hängt von meiner Stimmung und gesundheitlichen Verfassung ab. Oder davon, ob ich mich müde oder richtig gut fühle. Normalerweise gehe ich aber täglich irgendwo Kaffee trinken. Ich unternehme einen kleinen Spaziergang und setze mich in ein Café. Das muss einfach sein.

Hatten Sie je einen Blackout auf der Bühne – einen Moment, in dem Ihnen die Texte oder ein kompletter Song entfallen sind? Und wie haben Sie reagiert?

Vega: Den hatte ich tatsächlich öfter – was allerdings schon ein bisschen zurückliegt. Zuletzt ist mir das vor 20 Jahren passiert. Heutzutage versuche ich, solche Ausfälle auf ein Minimum zu reduzieren, indem ich genug schlafe, mich gesund ernähre und Vitamine zu mir nehme. Das scheint zu helfen … Zum Glück! (lacht)

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