Mannheim. Dass der Jazz inzwischen in die Jahre gekommen ist und sich gerne mal mit seiner eigenen Geschichte beschäftigt, zeigt sich an Konzertprojekten wie diesem. Denn da gibt es im engeren Umkreis des Mannheimer Ella & Louis mit Eckart Diedrichs einen Verehrer der swingenden Klänge, der für seine geliebte Musik mehr tun möchte, als sie nur als ansonsten unbeteiligter Zuhörer zu genießen.
Also erinnert er sich an einen für ihn unvergesslichen Auftritt der Gruppe Jazz Messengers von US-Schlagzeuger Art Blakey im Club St. Germain in Paris. Anfang der Achtzigerjahre war das, als der heute weltberühmte Wynton Marsalis als noch sehr junger Trompeter bei Art Blakey zum ersten Mal nachhaltig auf sich aufmerksam machte.
Musik mit Geschichte
Allerdings ist dieser Auftritt, soweit bekannt, nicht für die Schallplatte mitgeschnitten worden. Dafür ein anderer der Jazz Messengers an gleicher Stätte, gut zwei Jahrzehnte davor: Ende der Fünfzigerjahre gastierte die Gruppe, bis auf Blakey gänzlich anders besetzt, schon einmal dort, während einer triumphalen Europatournee, die für die Messengers den internationalen Durchbruch bedeutete. Mit Kompositionen wie „Moanin’“ auf den Notenblättern, die sich dann als Langzeit-Hits der Band entpuppten und vermutlich auch bei ihrem viel späteren Gastspiel im Club St. Germain auf dem Programm standen. Und so ist in Mannheim der Plan entstanden, einen „Tribute to Art Blakey“ im heutigen Ella & Louis mit eben dem Stücke-Repertoire der Jazz Messengers bei jenem ersten Pariser Auftritt zu bestreiten. Dafür übernahm das Ehepaar Petra und Eckart Diedrichs eine sicherlich auch finanziell dotierte Konzert-Patenschaft, und Thomas Siffling, Mannheims Startrompeter sowie künstlerischer Leiter des Ella & Louis, stellte eigens dazu eine All-Star Band zusammen.
Mit außer ihm selbst an Trompete und Flügelhorn drei weiteren Deutschen, dem Kölner Pianisten Martin Sasse, Joel Locher aus Stuttgart am Kontrabass und Patrick Manzecchi aus Konstanz am Schlagzeug. Die Überraschung ist der Mann am Tenorsaxofon: Der Amerikaner Scott Hamilton, Mitte sechzig jetzt und in Europa lebend, gilt eher als Spezialist für Swing-Jazz, nicht den Hard Bop eines Art Blakey.
Das zeigt er dann auch in der Ballade „Tenderly“, als einziges Stück des Abends nicht aus dem Pariser Repertoire der Messengers stammend. Da hat sein gefühlvolles Spiel nicht zufällig etwas von der weltverloren zärtlichen Aura um Swing-Tenorist Lester Young; eine, wie die Fachleute es nennen, „laid back“-Haltung, die Scott Hamilton aber keineswegs daran hindert, in schnelleren Stücken auch mal kräftig zuzupacken.
Damit ist er ein idealer Partner für Trompeter Thomas Siffling, der in seinen Soli kontrollierte Intensität ausstrahlt und, wohl auch nicht zufällig, mit gelegentlichen scharf gesetzten Quetschtönen an Lee Morgan erinnert, seinen Vorgänger seinerzeit bei den Messengers.
Von rhythmischer Qualität
Als höchst temperamentvoller Improvisator entlockt Pianist Martin Sasse den Tasten zahlreiche kaum vorhersehbare Wendungen. Da übernimmt auf einmal die linke Hand statt der üblichen Rechten melodische Aufgaben, und auch die Blockakkorde, in die er seine Chorusse oft münden lässt, weiß er sehr vielgestaltig einzusetzen. Aber nie auf Kosten des Grooves, der unbeirrt vorwärts marschierenden rhythmischen Qualität, die so typisch war für die Musik der Jazz Messengers. Gleiches lässt sich sagen über die Bassarbeit von Joel Locher. Bekannt geworden vornehmlich in Formationen des Gipsy Jazz, überzeugt der Stuttgarter in dieser doch etwas anders gearteten Umgebung nicht minder; als unerschütterlich solider Begleiter ebenso wie durch schnellfingrig gegriffene Solo-Exkurse.
Den heikelsten Posten jedoch hat Schlagzeuger Patrick Manzecchi übernommen: den druckvollen Beat eines Art Blakey, der hinter den Trommeln einer der härtesten Antreiber der Jazzgeschichte gewesen ist, wieder erstehen zu lassen. Er schafft es bravourös, ohne dabei das große Vorbild einfach zu imitieren; ob er nun mitten in den Soli der Kollegen auf der Basstrommel energische Akzente setzt oder in seinen eigenen Alleingängen immer komplexer werdende perkussive Muster entwirft. Nicht nur beim Charlie-Parker-Blues „Now’s The Time“ hört man da die harmonischen Wechsel mühelos heraus - eine begeisternde Vorstellung zur Saison-Eröffnung im Ella & Louis nach Monaten des coronabedingten Lockdowns. Und auch anderswo wird Aufarbeitung der Jazz-Vergangenheit nachgefragt: Übers Wochenende ist Thomas Sifflings All-Star-Quintett zu einer kleinen Tournee aufgebrochen, mit drei weiteren Konzerten in Süddeutschland und der Schweiz.
Veranstaltungen in Ella & Louis
- Weiter geht’s im Ella & Louis bereits Montag, 21. September, mit einem Tango-Projekt des Duos von Akkordeonist Laurent Leroi und Bassist Michael Herzer.
- Für Donnerstag 24. September hat sich das International Swing Quartet angekündigt, gebildet um die australische Bassistin und Sängerin Nicki Parrott.
- Tags darauf, am Freitag 25. September, gastiert das Soul Trio des Berliner Keyboarders Matti Klein im Ella & Louis. Soul zu tanzen ist dabei allerdings (noch) nicht gestattet.
- Alle genannten und auch die weiteren Veranstaltungen im Ella & Louis finden unter Corona-Bedingungen statt. Das heißt bei reduziertem Platz-Angebot, weswegen jeweils zwei Auftritte mit gleichem Programm angesetzt sind, von 19 bis 20 und 21.15 bis 22.15 Uhr; dazwischen wechselt das Publikum.
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