"Ich bin entjungfert", jubiliert Michael Mittermeier kokett in den tosenden Schlussapplaus hinein. Denn tatsächlich ist es der erste Auftritt des oberbayrischen Comedy-Stars im Mannheimer Capitol, den die über 700 Zuschauer in der ausverkauften Kultspielstätte so lautstark bejubeln. Diese Jungfräulichkeit ist weniger erstaunlich, als man denken mag: Schließlich hat der rasant ansteigende Erfolg seines ersten abendfüllenden Programms "Zapped" Mittermeier von den kleinen Bühnen schon Mitte der 90er übergangslos in die Kategorie Rosengarten/Eberthalle katapultiert - und so wesentlich zum Urknall des Stand-up-Genres beigetragen, der heute sogar in Fußballstadien nachhallt.
Wie eine Stadion-Band im Club
Auch dieser Pionier des rasanten amerikanischen Comedy-Stils hat die ganz großen Bühnen bedient - bis hin zu Rock am Ring und Live 8 2008 an der Berliner Siegessäule. In der SAP Arena ist der 49-Jährige seit 2009 Stammgast, wo sein immer noch aktuelles Programm "Blackout" Mitte Oktober 2013 schon einmal zu sehen war. Aber das war trotz aller Qualität kein Vergleich zu dem exklusiven Vergnügen, das Mittermeier auf der kleinen Bühne bietet: Denn den Erfinder der Rock-'n'-Roll-Comedy in diesem kleinen Rahmen zu erleben, hat eine ähnliche Intensität wie Club-Konzerte von Stadion-Bands - oder wie AC/DC im Vorgarten.
Nur dass Mittermeier als Vertreter eines Genres, das man einst zur Kleinkunst zählte, die Nähe zum Publikum besser nutzen kann als Musiker: Zu sehen, wie er permanent alle Antennen aufgestellt hat und noch auf das kleinste Hüsteln in den letzten Reihen oder ein Nase-Hochziehen auf dem Balkon reflexartig und verblüffend schlagfertig reagiert, ist ein Erlebnis. So wird der rote Faden des - stark aktualisierten - Programms zur langen Leine. Die Mittermeier bei jeder Gelegenheit nutzt, um mit dem Publikum zu spielen - ohne dass es wirkt wie der sonst übliche feste Interaktionsblock, der ein paar Namen aus der Menge für "Running Gags" aufruft.
Allein die Dialoge mit dem launigen "Pälzer Griiiech" Eleftheríos (zu Deutsch: Freiheit) aus der siebten Reihe sind auch dann noch das Eintrittsgeld wert, als das Thema Finanzkrise längst abgehandelt ist. Aber die Hauptattraktion ist Mittermeiers explosive Mimik aus der Nähe, die durch ein paar neue Falten noch mehr Facetten entwickelt. All das sind Sahne-Häuptchen: Denn auch sein Haupthandwerk - Timing - beherrscht der ewig jungenhafte End-Vierziger so virtuos, dass er nur "Ach, so" sagen oder eine Geste wiederholen muss, um einen Brüller zu landen. Und selbst wenn er bei kurpfälzischen Zurufen nur Bahnhof versteht, macht er daraus eine halbe Nummer.
So wird das Durchdeklinieren aller Themen rund um das Stichwort "Blackout" von Stromausfall und Alkohol-Abusus auf dem Betriebsfest über Politik und Bundeswehr bis zum Oktoberfest und Helene Fischer fast zur Nebensache. Und der "Leberkäse-Blackout" von 2013 wiederholt sich nicht, als der "Michl" die in Mannheim kreierte bayrische Leibspeise als Erfindung des Freistaats verkaufte. Besser geht's nicht!
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-strahlender-blackout-_arid,651643.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/firmen_firma,-_firmaid,13.html
[2] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html