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So lief Zeus B. Helds erstes Konzert mit Guru Guru in Mannheim

Von 
Dr. Hans-Guenter Fischer
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Erstes Konzert in neuer Besetzung beim Mannheimer Kulturtreff Alter am Alten Meßplatz: Zeus B. Held (l.), Peter Kuehmstedt, Mani Neumeier und Roland Schaeffer. © Manfred Rinderspacher

Nicht nur, dass die reifen Herren pünktlich wie die Maurer wären: Guru Guru sind sogar zu früh. Noch während man den guten, alten, in sein betoniertes Bett gezwängten Neckar überquert, wünscht Drummer Mani Neumeier über die Lautsprecher bereits „Viel Spaß“. Der ausgesprochen zeitige Beginn liegt wohl vor allem an der von der Pfalz her nahenden Gewitterfront, die in ein ziemlich toxisch wirkendes, stockdunkles Gelbgrau eingehüllt ist. Doch die Band hat sich auch generell neu aufgestellt und fokussiert. Sie stellt in Mannheim, in einem Ambiente voller rauem Charme, im Open-Air-Kulturtreff „Alter“ dicht am Alten Meßplatz – Mani Neumeier hört hier einen „Kindergeburtstags-Sound“ –, ihr neues Mitglied Zeus B. Held vor. Gitarrist Jan Lindqvist ist dafür von Bord des Krautrock-Schiffs gegangen.

Starke neue Stimme

Und das ist durchaus ein tiefer Einschnitt. Umbesetzungen hat es bei Guru Guru zwar wie Sand am Meer gegeben, ihre Auflistung mag ganze Wikipedia-Seiten füllen. Doch in einer Gruppe, die in ihrer langen Laufbahn meistens ohne Keyboarder zurechtgekommen ist, steht der in den quietschbunten 1970ern bei Birth Control zur Rockmusik gelangte Zeus B. Held für einen kleinen Paradigmenwechsel. Er ist schon vom ersten Stück an eine starke neue Stimme in der Band. Hat einen dominanten, angerauten, zugespitzten Keyboard-Sound – der eher selten in die Fläche geht, stattdessen kleine, aber grelle Farbtupfer (beziehungsweise -spritzer) oder rhythmische Pointierungen bevorzugt. Und auch ein paar kunstvoll abgedrehte Soli einstreut. Kurzum: Zeus B. Held bringt eine ganz frische Sound-Schicht in das Guru-Guru-Universum. Er grundiert nicht bloß das musikalische Geschehen. Sondern kommentiert es auch. Und stachelt an.

Mannheim

Guru Guru spielen in neuer Besetzung am Alten Meßplatz

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Derlei verändert zwangsläufig die Klangbalance. Die E-Gitarre Roland Schaeffers spielt an diesem Abend keine gar so große Rolle. Aber Schaeffer hält sich schadlos, denn er setzt dafür verstärkt sein Curry-scharfes, heißes und auch reichlich lautes indisches Gebläse ein – auf der Oboen-artigen Nadaswaram. Während der E-Bass Peter Kühmstedts stoisch unbeirrbar vor sich hin bollert. Erfahrung führt zu Reduktion. Herumgefummelt wurde in den 1970ern, als nicht allein Led Zeppelins „Whole Lotta Love“ live selten unter einer halben Stunde Spielzeit zu bekommen war. Aber der Krautrock-Dinosaurier Guru Guru hat seine Lektion bereits vor langer Zeit gelernt.

Der 80 Jahre alte Chef und Ober-Guru Mani Neumeier wirkt anfangs nicht mehr ganz so alterslos wie noch vor drei, vier Jahren. Manche Ansage murmelt er nur, und auch die Bühnentheatralik Neumeiers, ein Merkmal der Alleinstellung für diese Band, ist reduziert. Der Solo-Auftritt à la Japonaise (nämlich im Kimono) fällt leider aus. Aber sonst spielen Guru Guru, was sie immer spielen. Neumeier findet zudem zu alter Kraft und Lust zurück, die große Schlagzeug-Einlage ist keineswegs gestrichen – und enthält wie stets den Tanz der Trommelstöcke auf dem Blechgeschirr, das auf dem Boden liegt. Wenn nur das Aufstehen danach nicht wäre.

Seit mehr als 50 Jahren auf der Bühne

Zeus B. Held, geboren 1950, ist ein Keyboarder (der manchmal auch zum Saxofon greift), Arrangeur und Produzent. Die Basis für seine Karriere legte er einst bei der Gruppe Birth Control, die zwar des Öfteren als Krautrockband bezeichnet wird, doch eher einem internationalen Stil verpflichtet war.

International dachte auch Held, schon 1982 nahm er seinen Lebensmittelpunkt in London. Er war aufgeschlossen gegenüber Disco und New Wave und arbeitete mit Akteuren wie John Foxx (ex-Ultravox), Men Without Hats und Nina Hagen.

Guru Guru muss man in der hiesigen Region wohl nicht mehr vorstellen. In Japan aber auch nicht: Alle Erdteile hat Drummer und Performer Mani Neumeier mit seiner Krautrock-Kultband schon bespielt und dabei, falls wir Neumeier akustisch recht verstanden haben, mindestens 3717 Auftritte gehabt.

Gegründet im Jahr der Zeitenwende, 1968, zählt die Band zu den wenigen, die ohne nennenswerte Unterbrechung mehr als 50 Jahre lang aktiv waren und sind. Der Mannheimer Hans Reffert spielte bis zu seinem Tod Gitarre in der Gruppe.

Zeus B. Held, der neue Mann, ist auch schon 70, senkt aber den Altersdurchschnitt in der Band zumindest leicht. An selbstironischen Altherren-Scherzen fehlt es nicht: „Wir schaffen das. Wir haben für den Abend ja ein ganzes Jahr trainiert.“ Die Körper mögen teilweise ein wenig ausgezehrt sein, der Esprit ist ungebrochen. Und zum Ende hin ruft Mani Neumeier statt „Finkenbach!“ (wo Guru Guru leider ausgebootet wurden) „Mannheim!“ in die Runde. Guru Guru leben. Der „Elektrolurch“ natürlich auch, als „zweite freiwillige Zugabe“ beendet er den immer wieder laut beklatschten Abend vor dem längst befürchteten Schlechtwetter-Einbruch, Neumeier ballert dazu Konfetti in die Luft. Die alten Formeln in den Lyrics dieses Klassikers, wie „Täglich fit auch ohne Hit“, haben noch immer ihre Gültigkeit.

Passionierter Musiker

Und Zeus B. Held trägt dazu bei, als kenne er die vielen alten Songs schon seit Jahrzehnten. Was wahrscheinlich auch der Fall ist, oder? Fragen wir ihn mal nach dem Konzert, nachdem er sein nicht eben billiges Equipment vor dem Sommerregen in einen Verschlag gerettet hat. Er antwortet: Durchaus nicht, alle Stücke habe er neu einstudieren müssen. Mani Neumeier kenne er allerdings bereits seit 1973. Wichtig sei 2019 die Zusammenarbeit für die Duo-Plattenaufnahme „The Secret Lives“ gewesen (Electronica und Krautrock prallen auf dieser CD erstaunlich inspiriert zusammen). Doch sein davon angeregtes Mitwirken bei Guru Guru sei womöglich mehr als Hobby zu verstehen?, fragen wir. Mitnichten, gibt der Keyboarder zurück, das sei viel mehr, man werde sehen, was daraus noch werden könne. Er bezeichnet sich als passionierten Musiker. Das hätten wir ihm ohnehin geglaubt. Nach diesem Auftritt tun wir es noch mehr.

Freier Autor In Heidelberg geboren. Studium (unter anderem) der Germanistik. Promotion über Rainer Maria Rilke. Texte zu Literatur, Musik und Film.

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