Albumkritik Rock

So klingt das erste Album von Little Feat seit 13 Jahren

Antistars, Kultband und Überlebenskünstler: Die Rockpalast-Veteranen von Little Feat melden sich überraschend zurück.

Von 
Marcel Anders
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Die aktuelle Formation von Little Feat um den Original-Keyboarder Bill Payne (hinten: 3. von links) hat nach 13 Jahren Studiopause für ein neues Album zusammen gefunden. © Fletcher Moore

Bill Payne, das letzte Originalmitglied der Kalifornier, ist ein weißhaariger 76-Jähriger, der gerade seine Autobiografie schreibt, als gefragter Sessionmusiker gilt und mit Jackson Browne, den Doobie Brothers, Cher und sogar Pink Floyd gespielt hat. Seine Stammformation Little Feat musste seit 2013 wegen Gesundheitsproblemen und Todesfällen pausieren. Jetzt ist sie wieder da: „Strike Up The Band“ ist das 18. Werk der Truppe, die seit 1969 aktiv ist und als „the greatest underrated rock band of all time“ gilt.

Ein Ruf, der Payne amüsiert: „Wir sind wie ein geheimer Hotspot für Surfer, den zwar jeder Insider kennt, aber nicht öffentlich kommuniziert. Zudem meinen viele: ´Ohne Lowell George ist das nicht Little Feat.´ Dabei gibt es etliche, die gar nicht mehr wissen, wer Lowell war. Und: Wir beschränken uns nicht darauf, sein Erbe zu verwalten.“

Zur Band



Die amerikanische Band Little Feat wurde 1969 von dem Mothers of Invention-Gitarristen Lowell George gegründet.

Das Debütalbum „Little Feat“ (1970) war kein kommerzieller Erfolg, etablierte sie aber bereits als die unkonventionelle, verschiedene Stile verschmelzende Band, die sie bis heute bleiben sollte.

Im Jahr 1979 starb Lowell George , die Band löste sich zunächst auf.

1988 fanden einige Musiker wieder zusammen, darunter Craig Fuller und Bill Payne. Mit „Hate To Lose Your Lovin‘“ gelang ihnen in diesem Jahr d er erste Nummer-eins-Hit .

Schlagzeuger Richie Hayward starb 2010. 2019 folgte ihm Gitarrist Paul Barrére .

Von der ursprünglichen Besetzung ist nur noch Gründungsmitglied Bill Payne aktiv, außerdem dabei sind die langjährigen Mitglieder Fred Tackett, Kenny Gradney und Sam Clayton sowie Scott Sharrard und Tony Leone.

Das erste Album in neuer Besetzung „Strike Up The Band“ erscheint genau 46 Jahre nach Georges Tod . ble

Der Sänger und Gitarrist erlag 1979 einem Herzinfarkt – mit 34 Jahren. Er galt als Kopf der Band. Doch 45 Jahre später klingt Little Feat immer noch so relevant, dass sich Payne wundert, warum die Mainstream-Akzeptanz ausbleibt. „Und sei es nur wegen der Musik, die wir spielen: Wir haben Elemente von Künstlern genommen, die uns beeinflusst haben – Little Richard, Bob Dylan, The Band, Beatles, Stones, Frank Zappa – und einen Sound geschaffen, der mehr Beachtung verdient.“

Den Anspruch untermauert „Starting Up The Band“: Eine Lehrstunde des Fusion-Sounds – vorgetragen von exquisiten Musikern, die sich als etwas andere Jam-Band verstehen. „Mir persönlich waren die meisten Jams immer zu simpel. Nach dem Motto: ´Lasst uns eine halbe Stunde in derselben Tonart spielen.´ Bei uns ist es dagegen rhythmisch und offen – ein echter Tanz.“

Subtile Gesellschaftskritik, Optimismus und Humor

Das sorgt dafür, dass die Stücke mitunter hochkomplex und progressiv anmuten – aber immer eins gemeinsam haben: Einen Hauch von New Orleans. „Ein rauer, gefährlicher Ort, an dem man vorsichtig sein muss“, sinniert Payne. „Gleichzeitig steht er für Widerstandsfähigkeit – und darum geht es im Song ´New Orleans Cries When She Sings´. Während Hurrikan Katrina wurde die Stadt von der Regierung im Stich gelassen – sie hat keine Hilfe bekommen. Das zeigt, wo die USA heute stehen: Es gibt keine Empathie mehr.“

Ansonsten bemüht sich das Sextett um Optimismus und Humor. Das beginnt beim Albumtitel („lasst uns mit der Band anfangen“) – nach 56 Jahren ein echter Schenkelklopfer – und setzt sich fort in „Too High To Cut My Hair“. Ein Stück über die Ehefrau von Gitarrist Fred Tackett, die bei einer New Orleans-Visite zu stoned war, um ihrem Gatten die Haare zu stutzen: „Sie ist quasi durch den Raum geflogen“, lacht Payne. „Das ist toller Stoff.“

Berühmte Fans wie Jimmy Page, Grateful Dead oder Larkin Poe

Wie das gesamte Album, das zwar kein Meilenstein wie „Sailin´ Shoes“ oder „Dixie Chicken“ aus den frühen 70ern ist, aber um Klassen besser als das Comeback „Let It Roll“ von 1988 – und alles, was folgte. Die Neuzugänge – Gitarrist Scott Sharrad und Drummer Tony Leone – sorgen für frischen Wind. Gäste wie Larkin Poe oder Robert Hunter (Grateful Dead) tun ihr Übriges. Alte Fans wie Jimmy Page dürften ebenfalls begeistert sein – er hatte Little Feat 1975 als seine „amerikanische Lieblingsband“ bezeichnet und zu einer Europa-Tour eingeladen. Payne revanchierte sich mit warmen Worten bei einer Restaurant-Begegnung. „Ich meinte zu Jimmy: ´Entschuldige die Störung, aber ich wollte mich schon immer für eure Einladung bedanken. Es hat zwar nicht geklappt, doch ich fand die Geste sehr generös.´ Auch Robert Plant habe ich beim Essen getroffen: Als er mich kommen sah, hätte er sich am liebsten versteckt. Doch sobald ich mich vorgestellt hatte, lachte er und sprang auf, um mich in den Arm zu nehmen. Ein netter Typ.“ Wer weiß: vielleicht kommen sie ja doch noch zusammen …

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