Serie Kultur im Klimawandel (Teil 1)

So kann die Kultur grüner werden

Von 
Georg Spindler
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Kultur im Klimawandel – unter diesem Motto berichten wir in einer neuen Serie über das gesteigerte Umweltbewusstsein im Musikbusiness, bei Theatern und Museen. 

Keine Angst: Heavy-Metal-Bands wie Metallica müssen künftig nicht ihre E-Gitarren ausstöpseln. Und die Toten Hosen werden auch nicht gezwungen, ihre Musik auf Akustik-Klampfen in Zimmerlautstärke darzubieten. Aber klar ist: Vor dem Hintergrund des dramatischen Klimawandels wird sich das Musikbusiness in Richtung Nachhaltigkeit verändern. Energie-Reduzierung, CO2-Drosselung und Abfallvermeidung werden dabei eine neue Tonart angeben. Das gilt aber auch für alle anderen Bereiche des Kulturlebens: Veranstalter, Theater, Museen und nicht zuletzt die Kreativen selbst werden sich innovative, umweltschonende Konzepte überlegen müssen.

Einige dieser neuen Ansätze will diese Redaktion in den nächsten Wochen immer samstags in der Serie „Kultur im Klimawandel“ vorstellen. Die Ansatzpunkte sind vielfältig: Das Spektrum reicht vom Umstellen der Beleuchtung auf LED (was nach Angaben der britischen Umweltorganisation Julie’s Bicycle eine Reduzierung des CO2-Ausstoßes um fast 70 Prozent ergibt) über die Verwendung von Ökostrom aus erneuerbaren Energien und den weitgehenden Verzicht auf papiergestützte Kommunikation (wie Programmhefte und Broschüren) bis hin zu Müllreduzierung (etwa durch wiederverwendbare Materialien) und fleischlosem Catering von regionalen Anbietern.

Der höchste Anteil an den Schadstoffemissionen im Kulturbereich entfällt aber fast durchgängig auf den Bereich Mobilität: Die An- und Abreise von Publikum, Mitarbeitenden und künstlerischem Personal sowie der Transport von technischem Gerät sorgt, wenn er per Pkw beziehungsweise Trucks mit Verbrennungsmotor vonstatten geht, für eine gravierende Luftverschmutzung.

Wichtige Pionierarbeit bei der Ermittlung dieser Werte hat das Projekt Über Lebenskunst, eine Initiative der Kulturstiftung des Bundes in Kooperation mit dem Haus der Kulturen der Welt in Berlin, bereits in den Jahren von 2010 bis 2012 geleistet. Bei einem vom Freiburger Öko-Institut ausgewerteten Festival im August 2011 entfielen demnach 56 Prozent der Treibhausgas-Emissionen auf den Bereich Verkehr. Der nächstgroße Posten, 28 Prozent, war der Stromverbrauch.

Autoverkehr als Problem

Insgesamt verursachte Über Lebenskunst bei seinen Veranstaltungen mit 13 000 Besuchern damals 281 Tonnen Treibhausgas-Emissionen. Das entspricht 56 Langstreckenflügen. Über die Hälfte davon wurde durch Autoverkehr verursacht. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, dass in allen Kulturbereichen daran gearbeitet werden muss, für eine gute Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr zu sorgen. Gedanken muss man sich aber auch über umweltschonende Konzepte beim Transport von Musikern und Equipment machen, etwa bei Tourneen.

In Deutschland bündelt derzeit das „Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit in Kultur und Medien“ die unterschiedlichen Aktivitäten des Erneuerungsprozesses. Der Initiative gehören 30 Institutionen an, darunter der Deutsche Kulturrat, die Documenta und die Ruhrtriennale. Ziele sind die Vernetzung der Institutionen, das Erstellen von Klimabilanzierungen, um den Stand der Nachhaltigkeit zu ermitteln, und eine generelle Schärfung des Bewusstseins für das Problem Kultur und Klima. Staatsministerin Monika Grütters, deren Ministerium für Kultur und Medien (BKM) das Netzwerk unterstützt, wies bei dessen Gründung im September 2020 mit Nachdruck darauf hin, was das Gebot der Stunde ist: dass Kultureinrichtungen wie Museen, Theater oder Kinos „ihren ökologischen Fußabdruck verkleinern“ müssten.

Aber auch jede und jeder Einzelne im Kulturbereich ist gefordert. Zwei Beispiele aus der Region: Die Mannheimer Sängerin und Songschreiberin listentojules singt nicht nur über Klimawandel und Umweltzerstörung. Sie arbeitet auch mit der Baumpflanzungs-Inititative #plantatreesong zusammen und veröffentlicht ihre Musik nicht umweltbelastend auf CD und Vinyl, sondern auf einem auf Recyclingpapier gedruckten Posterzine, einer Mischung aus Plakat und Magazin, das die Musik als Download-Code enthält.

Detlef Grooß, Bratscher am Mannheimer Nationaltheater, ist Mitinitiator von Orchester des Wandels. Der Verein, dem auch das Nationaltheaterorchester angehört, arbeitet an Strategien zur Reduzierung von CO2-Emissionen, die der Alltag eines klassischen Musikers mit sich bringt. Mit Benefizkonzerten fördert der Verein ein Aufforstungsprojekt in Madagaskar, wo Bäume gepflanzt werden, deren Holz zum Bau von Instrumenten verwendet wird.

Abschied vom Gigantismus

All diese Momentaufnahmen zeigen, dass wir auch in der Kultur in einem Zeitenwandel leben. Die Frage, ob Produktionen in Opernhäusern oder auf Popkonzertbühnen noch immer vom Gigantismus früherer Jahre geprägt sein müssen, stellt sich jetzt in verschärfter Form. Wie erwähnt, bedeutet das nicht den Abschied von der Stromgitarre – aber möglicherweise das Aus von überdimensionierten Bühnenspektakeln, denen gerade in Zeiten des Klimawandels ein Flair von Dekadenz anhaftet. Es sind Auslaufmodelle.

Redaktion

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