Klassik - Wiederaufnahme der Oper „Salome“ im Nationaltheater

Skandalöses Treiben bei Herodes

Von 
Waltraud Brunst
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Wer sagt denn, dass die Mannheimer nur auf Wagner, Verdi und Puccini abfahren? Helle Begeisterung bei der Wiederaufnahme der „Salome“ von Richard Strauss, inszeniert von Gabriele Rech. Es war wohl die schiere Qualität bei der Besetzung der vielen anspruchsvollen Partien und der Realisierung der gewaltigen Partitur durch den fabelhaften Alexander Soddy. Zwar war es oft entsetzlich laut; das ist Strauss geschuldet. Dass keine menschliche Stimme dies zu überbieten vermag, wurde durch die Übertitelungsanlage aufgefangen. Aber so, nur so fand das skandalöse Geschehen am Hofe des Herodes adäquaten musikalischen Ausdruck.

Die furchtbare Geschichte zu Jesu Lebzeiten, als die Stimme des in der Zisterne gefangenen Propheten Jochanaan (Jorge Lagunes) die Lust der Königstochter Salome weckt, hat Oscar Wilde effektvoll auf die Bühne gebracht. Gabriele Rech eliminiert viele Klischees. Ort der Handlung sind nicht orientalische Gärten in einer schwülen Sommernacht, sondern die tristen Kellerräume des Palasts. Hierhin flieht die blutjunge Salome (Anna Gabler), angeekelt von ihrer amoralischen Mutter Herodias (Heike Wessels in einer grandiosen Charakterstudie) und dem dekadenten Stiefvater Herodes. Andreas Hermann, jung, schmal, nervös, ist weit entfernt vom gewohnten Bild des feisten, alten Königs in prächtigen Gewändern. Sein strahlend heller Tenor und sein eindringliches Spiel überzeugen ebenso wie die Stentortöne des Heldenbaritons Lagunes. Anna Gabler bewältigt mit grenzenlosem Sopran die mörderische Titelpartie bis zur fordernden Szene mit dem blutigen Kopf des Propheten.

Gut besetzt bis in die Nebenrollen

Die Besetzung der Nebenrollen: ein Triumph des Ensembletheaters. Als Narraboth, Page, Nazarener, Soldaten und im Judenquintett, alles Solisten der ersten Liga – dergleichen findet man kaum einmal so sicher wie in Mannheim. Und das Publikum honoriert das mit tosendem Applaus.

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