Musik

Silent Explosion Orchestra: Beherzter Jazz für Leib und Seele

Das saarländische Silent Explosion Orchestra hat das Publikum in der Mannheimer Klapsmühl mit auf eine Reise quer durch New York City genommen. Ganz groß: der junge Protagonist am Schlagzeug, Kevin Naßhahn

Von 
Markus Mertens
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Das Silent Explosion Orchestra bei seinem jüngsten Auftritt in der Mannheimer Klapsmühl’ am Rathaus. © Markus Mertens

Bis an seine Grenzen ist die Klapsmühl’ am Mannheimer Rathaus zwar nicht gefüllt – doch diejenigen, die den Weg in das Kleinkunsttheater in der Quadratestadt gefunden haben, erleben einen Abend, der es an Eindruck nicht mangeln lässt. Denn in seiner Reihe „Big Chamber Concerts“ („Große Kammerkonzerte“) präsentieren die Organisatoren der Klapsmühl’ mit dem Silent Explosion Orchestra ein Ensemble von Stil und Attitüde gleichermaßen, das es in seinen Arrangements an Klasse keineswegs fehlen lässt.

Das liegt zu allererst an einem Protagonisten, ohne den es dieses tief außergewöhnliche Big Band-Kollektiv vermutlich gar nicht geben würde: Kevin Naßhahn. An seinem Schlagzeug sitzt der Rhythmus-Experte auf der Bühne zwar ganz hinten, so dass man ihn während des Spiels manches Mal fast gar übersehen möchte – doch spätestens, wer zur Notiz nimmt, mit welchem Überblick er seinen Mitmusikern an den Trommeln den Takt angibt, hat längst verstanden, wie wichtig dieser Impulsgeber für einen Reigen der Willigen ist, der sich anschickt, Großes zu leisten. Wenn man ihn in die Position dazu versetzt.

Mit Leidenschaft dabei

Der 1992 geborene Naßhahn jedenfalls fungiert an diesem Abend quasi wie eine Art Generalist. Er moderiert, preist die Solisten seines Kollektivs, baut die Brücken zum Publikum – und strahlt dabei eine solche Leidenschaft aus, dass man allein seinetwegen fast schon enthusiastisch werden mag. Dabei gibt es in diesen knapp zwei Konzertstunden noch so viel mehr, das sich feiern lässt und auch jeden Applaus der Zuhörer verdient hat.

Seine „Portraits of New York“ gestaltet das Silent Explosion Orchestra nämlich keineswegs in bloßer Big Band-Expressivität. Nein, hier wird nuanciert und abgewogen, in lauter Klangfülle gebadet, oder jeder einzelne melodische Tropfen zelebriert. Ohne Zweifel, diese Musiker brennen. Das beweisen sie schon beim Klassiker „In A Mellowtone“ von Duke Ellington, den das Ensemble in einem Arrangement von Count Basie präsentiert, das einen tiefen Groove in sich trägt und dennoch Größe beweist. In den ausladend orchestrierten Passagen vermitteln Trompeten und Posaunen Wärme und Stabilität gleichermaßen, während der Soli huschen die Saxofone wie aufgaloppierende Pferde über den melodischen Grund. Man spürt in jedem Augenblick: Angst zu gestalten oder aus der Reihe zu fallen hat hier nun wahrlich keiner.

Junge Wilde zeigen Reife

Das große Ganze – und das ist die Kunst dabei – gerät in seiner Balance zu keinem Zeitpunkt ins Wanken, bleibt ausgewogen, überzeugend, ja, fast schon souverän. Dergestalt schreiten wir durch New Yorks Künstlerviertel, das Greenwich Village, das von legendären Jazzclubs wie dem Village Vanguard gesäumt ist, feiern die voluminöse Wucht des „Big Dipper“ oder schauen dem „Groove Merchant“ dabei zu, wie er die beseelte Kraft des Jazz mit weiten Armen an seine Gäste verteilt.

Das Ergebnis ist ein beherzter Jazz für Leib und Seele, der nicht nur berührt, sondern in Erinnerung bleibt. Für ein 17-köpfiges Kollektiv junger Wilder, die sich trauen statt zu zaudern, ist das ein Merkmal beachtlicher Reife. Unbedingt empfehlenswert!

Freier Autor

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