Nach dem starken Auftritt der Hip-Hop-Crew Tonomat 3000 denkt man eigentlich: Das war's für heute. Es ist kurz nach 23 Uhr im Capitol in Mannheim, die Luftfeuchtigkeit schwankt zwischen 90 und 95 Prozent, die gefühlten Temperaturen liegen jenseits der 35 Grad. Eigentlich sind die rund 500 überwiegend jungen Menschen im Publikum mindestens al dente gekocht, vielleicht denkt der eine oder die andere schon an ein abkühlendes Bad im sich bereits aus der Ferne ankündigenden Sommergewitter. Da macht uns Tom Ulrich alias Tom Thaler noch einmal neugierig. "Wenn Ihr eine Pause machen wollt, vergesst es! Was jetzt kommt, habt Ihr noch nicht erlebt", tönt der Moderator der Veranstaltung - und er soll Recht behalten.
Das Abschlusskonzert der Mannheimer Popakademie hat sich das Beste für den Schluss aufgehoben. Bei fast einem Dutzend Bands der unterschiedlichsten Richtungen, Strömungen und Stimmungen ist das gar nicht so. Als Tamara Olorga im Dirndl auf die Bühne steigt, bedeutet das den Startschuss zu den verrücktesten 30 Minuten des Abends - und den musikwirtschaftlich vermutlich verheißungsvollsten.
Denn eines ist natürlich auch klar. Wer an der Popakademie studiert und wie die meisten an diesem Abend auf seinen Abschluss zusteuert, der will natürlich auch wissen: Wo geht es hin mit mir? Kann ich mit meiner Leidenschaft Geld verdienen? Olorga jedenfalls scheint sich diese Frage schon früh gestellt und auch recht clever beantwortet zu haben: Mit je drei Jungs in Lederhosen und Mädels in Dirndln veranstaltet sie eine Après-Ski-Party in der Dampfsauna Capitol - und erntet dafür den mit Abstand kräftigsten Applaus des Abends.
Die Mischung aus volkstümlich bayrischer Blas- und Tastenmusik, die hauptsächlich von Akkordeon und Synthesizer gestemmt wird, und Sprechgesang, hartem Bass und genauso krachender Percussion plus zartschmelzendem Background-Chor und Olorgas Charisma: Das ist einfach großes Unterhaltungskino - und könnte schon bald genauso oder ähnlich das Oktoberfest in München rocken. "Tamara hat das Projekt eigentlich für jemand anderen entwickelt und nun für ihre Abschlussarbeit mit uns umgesetzt", erklärt Katy, die für den Background-Part bei "Alpentrap" zuständig ist.
Dass Olorga sich eigentlich mehr als Songwriterin sieht und der Band selbst gar nicht vorstehen möchte, findet Katy schade: "Eigentlich steht ihr das hervorragend - und die Reaktionen der Leute sprechen ja für sich." Der Auftritt wird derart abgefeiert, dass man sich schon ausmalen kann, wie Olorga mit ihren feschen Madeln und den knackigen Männerwadeln übers Land zieht und die Skiressort-Diskotheken auf links dreht. Zur Hälfte klingt die Combo nach den bayrischen Blas-Haudegen von LaBrassBanda, zur Hälfte nach dem treibenden Reggae-Ragga-Hip-Hop-Rock von Seeed. Allein die sich aufdrängenden Vergleiche zeigen: Hier könnte Großes entstehen.
Ähnlich wie bei Tonomat 3000. Die Jungs um Frontmann Julian Schwizler haben bereits eine erste CD im Kasten. "Als wir uns kennenlernten, haben wir sofort beschlossen, gemeinsam Musik zu machen. Dann hat sich erst hinterher herausgestellt, dass wir alle auch an der Popakademie studieren", erzählt Schwizler. Mittlerweile haben Tonomat ihren Stil gefunden und verfeinert, machen intelligenten Gute-Laune-Hip-Hop, der hin und wieder zum Nachdenken anregt, vor allem aber eines ist: lässig und entspannt.
Was die Planung vorsieht: "Erstmal ein paar Festivals und dann an neuen Songs schreiben", sagt Schwizler, der im nächsten Atemzug den Konzertabend in den höchsten Tönen lobt: "So voll war es selten, es hat von der ersten Sekunde an Spaß gemacht." Auch der Sound sei viel besser als befürchtet gewesen - was freilich nicht auf jede Band zutrifft. Die großartigen Blanck zum Beispiel haben mit Soundproblemen zu kämpfen. Kein Wunder, bei zehn Umbauaktionen im Hauruck-Verfahren. Beim Publikum jedenfalls kommt der Abend insgesamt spitze an. Rebecca (20), die aus der Nähe von Tübingen stammt und seit einem Jahr in Mannheim studiert, fasziniert die musikalische Vielfalt und der besondere Stil, den Mannheim sein Eigen nennen dürfe. Und Norbert, 45 und gebürtiger Mannheimer, freut sich über den abwechslungsreichen Abend: "Ich beobachte schon immer, was sich an der Popakademie tut", sagt er. Dass sich das lohnt, können die Capitol-Besucher vom Samstagabend nahezu restlos bestätigen. (rüo)
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