Mannheim. „Frauengold“ hieß ein ab 1953 in Deutschland weit verbreitetes Mittelchen für die Gesundheit von Frauen „an allen Tagen“. Diverse Kräuter und 16,5 Volumenprozent Alkohol sollten laut Werbung gegen Hysterie wirken. 1981 wurde die frei verkäufliche „Arznei“ verboten, weil sie krebserregend und nierenschädigend war. Elisabeth Auer schenkt zur Begrüßung alkoholfreien Saft aus der Originalflasche aus. Im weißen Kittel referiert sie über den „Matilda-Effekt“, der die systematische Verdrängung und Leugnung des Beitrags von Frauen in der Wissenschaft beschreibt, deren Arbeit häufig ihren männlichen Kollegen zugerechnet wird. Als Belege führt sie eine große Zahl von Wissenschaftlerinnen von der Antike bis zur Gegenwart an und greift zwei Beispiele besonders heraus: die Mathematikerin und Physikerin Mileva Maric, ebenbürtige Diskussionspartnerin und erste Ehefrau von Albert Einstein, sowie Rosalind Franklin, die um die Meriten ihrer Entdeckung der Doppelhelix-Struktur der DNA betrogen wurde. Den Nobelpreis heimsten drei Kollegen ein, die sich ohne ihr Wissen ihrer Forschungsergebnisse bedient hatten.
Im szenischen Parcours „Heldinnen“ im Theater Felina Areal sind Frauen aus ganz unterschiedlichen Zeiten und Lebensbereichen versammelt. Gemeinsam mit der Dramaturgin Angela Wendt haben die Schauspieler Elisabeth Auer, Sascha Koal, Markus Maier und Monika-Margret Steger ihre Geschichten zu einem spannenden 90-minütigen Rundgang durch vier detailreich dekorierte Räume montiert.
Im „Dschungel“ lernen die Besucher aus Erzählungen Markus Maiers und Filmsequenzen die Primatenforscherinnen Dian Fossey, Jane Goodall und ihre weniger bekannten Kolleginnen Claudine André und Birute Galdikas kennen. In der „Küche“ stellt Monika-Margret Steger Salondamen vor, die ab dem 17. Jahrhundert in privaten Räumen Foren für geistreiche Gespräche schufen und dabei nicht selten die Grenzen von Stand, Religion und Geschlecht ignorierten. Sie schlägt den Bogen zur Pädagogin und Frauenrechtlerin Helene Lange und fragt, warum manche nach ihr benannte Schulen eigentlich bis heute als „Kochlöffel-Gymnasien“ herabgewürdigt werden. Und sie dankt mit Blick auf das Porzellanservice auf dem schön gedeckten Tisch Josephine Cochrane, der Erfinderin der Geschirrspülmaschine.
Beim Kaffee würdigt Sascha Koal Melitta Bentz, die den Kaffeefilter mit passenden Tüten entwickelte und so ab 1908 den Kaffeegenuss revolutionierte. Sie meldete das Patent auf ihren Namen an und machte ihren Ehemann zum ersten Angestellten ihres Unternehmens. Der Rundgang endet mit Geknatter und zwei weiteren Frauen, die mit geltenden Konventionen brachen: Links sieht man Bertha Benz auf dem Patent-Motorwagen ihres Mannes Carl fahren, rechts daneben die saudi-arabische Aktivistin Loujain AlHathloul. Sie wurde inhaftiert, weil sie sich trotz Verbots in ihrem Land ans Steuer setzte. Mittlerweile ist Autofahren für Frauen in Saudi-Arabien erlaubt. Frei ist AlHathloul dennoch nicht. Weil sie nicht schweigt, sondern weiter für Frauenrechte kämpft.
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