Musik

Sängerin Liraz Charhi will Frauen aus dem Iran eine Stimme geben

Liraz Charhi ist eine israelische Sängern mit Wurzeln im Iran. Am 25. Mai tritt sie in der Alten Feuerwache Mannheim auf und präsentiert dort ihr jüngstes Album "Roya", das sie komplett auf Farsi eingesungen hat

Von 
Martin Vögele
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Liraz Charhi wird ihr neues Album auch in Mannheim präsentieren. © Shai Franco

Frau Charhi, was dachten Sie, als Sie im vergangenen Jahr die Bilder der Proteste im Iran sahen?

Liraz Charhi: Er war einerseits ziemlich überraschend und auf der anderen Seite war es auch der Moment, den wir erwartet hatten. Denn als wir das Album zusammen geschrieben haben - es war das erste Mal, als wir uns im Geheimen physisch in Istanbul trafen, um „Roya“ (Fantasie) aufzunehmen -, da scherzten wir immer über den Zeitpunkt, in dem die Protesttexte darauf Realität werden würden. Und es ist ziemlich erstaunlich, dass im selben Augenblick, in dem die Proteste im Iran begannen, das Album herauskam. Zur selben Zeit liefen meine tapferen Schwestern, Musiker und Freundinnen, durch die Straßen Teherans, nahmen ihre Schleier ab und verbrannten sie. Es war die selbe Zeit, als ihr Spiel und ihre Stimmen in Europa, in Frankreich, in Deutschland, in der Schweiz, im Radio zu hören waren.

Sie kämpfen nicht für ihre Freiheit, sie suchen nicht nach Freiheit - sie SIND die Freiheit,
Liraz Charhi Sängerin

Was war Ihr erster Impuls?

Charhi: Die erste Reaktion war, dass ich sehr um ihr Leben fürchtete. Aber gleichzeitig fühlten wir, dass das eine machtvolle Bewegung war, und dass sie tun mussten, was sie taten, um ihre Freiheit zu erhalten. Heute denke ich, sie kämpfen nicht für ihre Freiheit, sie suchen nicht nach Freiheit - sie SIND die Freiheit, weil sie so viel Mut beweisen, das zu tun. Die Freiheit ist in ihnen. Ich hoffe nur, die Dinge im Iran ändern sich schnell, damit ihr Leben frei und glücklich sein kann.

Liraz Charhi

  • Die Sängerin und Schauspielerin Liraz Charhi wurde 1978 im israelischen Ramla geboren, nachdem ihre jüdischen Eltern am Rande der iranischen Revolution aus dem Iran ausgewandert waren.
  • Ihr Spielfilmdebüt gab Charhi 2004 in „Turn Left at the End of the World“. In Hollywood debütierte sie 2010 in „Fair Game – Nichts ist gefährlicher als die Wahrheit“. Seit 2020 spielt sie in der erfolgreichen israelischen TV-Spionageserie „Teheran“.
  • Als Sängerin veröffentlichte sie unter ihrem Vornamen Liraz 2018 das Album „Naz“, 2020 „Zan“ und im Oktober 2022 ihr diesmal nicht auf Hebräisch, sondern auf Persisch eingesungenes Werk „Roya“.
  • In der Alten Feuerwache Mannheim tritt Liraz am Donnerstag, 25. Mai, 20 Uhr, auf. Im Vorprogramm spielt die Popmusikerin Madanii.

Sie haben für „Roya“ mit israelischen wie auch mit - anonym bleibenden - iranischen Musikerinnen und Musikern gearbeitet. Wie schwierig war es, die Aufnahmen in die Wege zu leiten?

Charhi: Es war eine große Aufgabe. Über ein Jahr lang haben wir überlegt, wie wir das technisch umsetzen. Wir fanden heraus, dass der einzige Ort, den Iraner ohne Visum besuchen können, die Türkei ist. Ich arbeite viel dort, ich trete dort auf, drehe meine Musikvideos dort. Technisch gesehen war es ein bisschen kompliziert, aber wir haben es hinbekommen. Gefühlsmäßig und im Hinblick auf die Sicherheit war es angespannt. Ein Gefühl traf das andere - es war Furcht in der Ecke der Freudenstraße. Diese Emotionen waren so kraftvoll miteinander verbunden. Aber als wir in das Kellerstudio in Istanbul kamen, die Türen schlossen und zu spielen begannen, war es reine Magie. Wir vergaßen alle Probleme und fühlten uns sicher.

Liraz Charhi richtet sich ganz bewusst auch an die Menschen im Iran. © Shai Franco

Erhalten Sie viele Rückmeldungen zu Ihrer Musik aus dem Iran?

Charhi: Ja. Ich weiß nicht, wie es geschah, aber als mein erstes Album „Naz“ erschien (2018), kam die erste große Reaktion aus dem Iran. Ich weiß nicht, wer es dorthin gebracht hat, wie es so schnell passieren konnte, aber ich weiß, dass es viele Menschen gab, die sich das Album anhörten. Ich habe das Gefühl, dass es in meiner Geschichte nicht um mich geht.

Meine Herkunft hat mich an einen Punkt gebracht, an dem ich etwas sehr Wichtiges in meinem Leben tun und eine Botschaft vermitteln wollte. Und ich habe meine Berufung darin gefunden, für die zum Schweigen gezwungenen Frauen im Iran zu singen. Ich bin sehr glücklich, nun in der Situation zu sein, mit diesen mutigen Frauen zu kollaborieren und dass sie bei meinen Konzerten und auf meinen Alben eine Bühne haben.

Mit welcher Vision haben Sie angefangen, Musik zu machen?

Charhi: Ich wollte meinen Kummer und meinen Schmerz zu nehmen und sie zu meiner Kunst machen. Ich hatte das Gefühl, dass ich meine Wurzeln, meine Herkunft jahrelang vernachlässigt hatte, weil ich so wütend auf die Situation zwischen Iran und Israel war. Als ich ein Teenager war, wollte ich nicht, dass meine Eltern auf Farsi zu mir sprachen, ich antwortete auf Hebräisch, weil ich so wütend auf die iranische Seite war. Dann verstand ich, dass ich meinen Wurzeln folgen und eine Bedeutung in diesem Leben finden musste. Ich tat es für mich, wie um meine eigene Wunde zu schließen, um mein Herz zu füllen. Und dann tat ich es für die zum Schweigen genötigten Frauen. Ich wünschte, dass jemand meine Musik anhören würde. Aber ich hatte keine Vorstellung davon, dass sie so nach draußen dringen, dass die Leute dazu tanzen und sie lieben würden.

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