Interview

Robbie Williams: "Mir ist gelungen, ein Leben um Corona aufzubauen"

Von 
Steffen Rüth
Lesedauer: 
© Sony Music

Robbie, wie läuft es bei Ihnen?

Robbie Williams: Ganz gut. Ich bin seit ein paar Tagen wieder in England, zelebriere meine Quarantäne. Ich darf jetzt zwei Wochen lang nicht vor die Tür. Für mich ist das gar nicht schlimm. Mein Leben in England ist sowieso wie ein einziger Lockdown. Immer, wenn ich hier bin, halte ich mich hinter verschlossenen Türen auf. Insofern ist das Leben für mich im Moment so wie immer.

2020 war ein extremes Jahr. Sind Sie froh, wenn es zu Ende ist?

Williams: Sagen wir mal so: Ich kann es kaum abwarten, dass 2021 endlich beginnt. Lasst uns endlich eine neue Ära beginnen, ein neues Leben, eine neue Form von Normalität begrüßen. Aber ich muss sagen, ich habe wirklich unheimlich gerne so viel Zeit mit meiner Familie verbracht. Wir haben das auch genießen können. Ich fand es mal ganz angenehm, kein Teil des Showgeschäfts sein zu müssen. Also, meine Gemütsverfassung ist wirklich sehr gemischt. Sehr einerseits-andererseits.

Sie sehen frisch aus, muss man sagen. Gesund und ausgeruht.

Williams: Danke, ich weiß. Wenn du zu Hause bist, ist jeder Tag derselbe, und damit ist auch dein Tagesablauf normaler und planbarer. Ich habe sehr regelmäßig Sport gemacht und viel besser gegessen. Wenn ich arbeite, dann geht mir meine Arbeit immer sehr nah, es wird schnell sehr emotional. Und ich neige dazu, meine Emotionen mit Essen zu spiegeln. Oder ich falle erst um 5 Uhr morgens ins Bett, weil der Abend voll ist mit Arbeit. Während Covid ist es mir definitiv deutlich leichter gefallen, ein normaler Mensch zu sein und wie ein normaler Mensch zu leben.

Also war die ganze Coronakiste gar nicht so übel für Sie?

Williams: Ich finde es natürlich furchtbar, was dieses Virus auf unserem Planeten macht. Das ist ja wirklich einfach nur unglaublich grauenvoll und jenseits von allem, was ich mir hätte vorstellen können. Aber mir persönlich ist es gelungen, mir ein Leben um dieses Virus herum aufzubauen, trotzdem zu arbeiten, und auch finanziell kann ich das verkraften. Ich kann daher sagen: Es ist okay. Ich komme klar.

Ihr Sohn Beau kam im Januar zur Welt. War bestimmt eine feine Sache, den kleinen Kerl in aller Ruhe kennenlernen zu können, oder?

Williams (lacht): Oh ja. Aber er ist ja schon der Vierte. Wir haben die Kinder jetzt quasi in zwei Teams aufgeteilt. Die beiden Älteren, Teddy und Charly, sind unser „Team A“, Colette und Beau sind „Team B“. „Team A“ kann schon Sachen machen, Mist bauen, lachen und mit uns reden bis zum Umfallen. Team A bekommt eine Menge persönlicher Zeit mit seinen Eltern. Team B wiederum hat noch einiges aufzuholen.

Wird Team A langsam neugierig, was das Leben ihres Vaters angeht, bevor es zur Welt kam? Fragen die Kinder Sie nach den wilden frühen Jahren des Robbie Williams?

Williams: Glücklicherweise noch nicht. Ich kann jedoch sagen, dass meine Tochter irgendwie elektrisiert ist von dem Umstand, dass sie einen berühmten Vater hat. Sie versucht zu verstehen, was dieser Ruhm bedeutet. Sie kapiert langsam, dass Leute wegen mir mit ihr sprechen wollen, dass sie also wegen mir sozusagen interessant ist. Sie ist acht. Sie ist da gleichzeitig geschmeichelt, aber auch ein bisschen misstrauisch und skeptisch. Sie ist gerade dabei, mein Leben zu entwirren und zu verstehen. Und ich bin 46 und ebenfalls damit beschäftigt, mein Leben zu entwirren und zu verstehen.

Ihre Tochter singt auch gemeinsam mit Ihnen den Song „Home“ auf deinem Weihnachtsalbum „The Christmas Present“. Wie stolz ist sie auf euer Duett?

Williams: Teddy wollte unbedingt dabei sein. Aber das war vor über einem Jahr. Jetzt will sie lieber ihr eigenes Ding machen. Sie ist wie ich in Take That (lacht). Ja, echt, sie will nicht einfach bloß einen Song singen. Sie will mehr. Sie will alles mit ihrem Teddy-Ding garnieren. Es macht Spaß, ihr dabei zuzuschauen.

Als Sie acht Jahre alt waren, sind Sie da ähnlich drauf gewesen wie Ihre Älteste? Ihr Vater war ja schon ein Showman und ein Unterhaltungskünstler.

Williams: Der Unterschied ist: Wir haben ein Tonstudio im Haus, und Teddy kann dort rein und sich einbringen. Als ich acht war, konnte ich nicht einfach zu meinem Vater auf die Bühne klettern, denn das, was er machte, war Erwachsenenarbeit. Aber, wenn ich gekonnt hätte, wäre ich wie Teddy gewesen.

Wollten Sie als Kind die Sachen machen, die die Erwachsenen machen durften?

Williams: Total. Ich wollte Autofahren lernen - wozu ich später nie gekommen bin. Ich habe bis heute keinen Führerschein. Als Junge war ich überzeugt, dass du als Erwachsener sämtliche Freiheiten hast. Die hast du tatsächlich. Aber du ahnst noch nicht, dass du für alle Freiheiten einen Preis bezahlen musst.

Ihre neue Single „Can’t Stop Christmas“, deren Text sich um Weihnachten im Corona-Jahr dreht, ist einerseits amüsant und voller Humor, aber der Text ist auch ganz schön ernst für Ihre Verhältnisse - Sie singen, dass sich das Leben gerade anfühle, als seien wir im Krieg. Was haben Sie sich bei dem Song gedacht?

Williams: Humor ist einfach Teil meiner Persönlichkeit. Mit sehr ernsten Themen gehe ich so um, dass ich versuche, auch darüber zu lachen. Ich liebe dunkle, finstere Witze. Und doch steckt in dem Song viel Aufrichtigkeit. So war mein Jahr - traurig und zugleich aufbauend. Tragisch und doch auch lustig.

Was steht auf Ihrem Wunschzettel für dieses Weihnachtsfest?

Williams: Dass die Welt bald wieder normal wird. Und, ganz selbstbezogen und narzisstisch: Dass meine nächsten Projekte unglaublich erfolgreich werden.

Wie werden Sie Weihnachten verbringen in diesem Jahr?

Williams: Wir sind zuhause in England, mit der Familie und Freunden.

Kommen Ihre Eltern auch?

Williams: Dieses Jahr ist mein Vater an der Reihe. Er kommt zu uns.

Wie Sie in „Can’t Stop Christmas“ so schön sagen: „Santa’s on his sleigh, but now he’s two metres away“. Der Weihnachtsmann sitzt auf seinem Schlitten, aber er hält zwei Meter Abstand. Wie haben Sie das in der Familie geregelt, euch einerseits nah zu sein, aber auch nicht in Gefahr zu bringen?

Williams: Wir werden sehr viele Tests machen. Ich lasse mich eh schon die ganze Zeit testen.

Also kein Thema, Weihnachten dieses Jahr ausfallen zu lassen?

Williams: Nein. Wir lassen uns Weihnachten nicht nehmen. Weihnachten ist ein Zustand, eine Gemütsverfassung. Ich liebe Weihnachten. Wir feiern. Und wir werden alles dafür tun, dass es ein sicheres Weihnachten wird.

Sie haben vor einigen Monaten darüber gesprochen, dass Ihr Vater gesundheitlich nicht auf der Höhe ist. Er leidet an Parkinson. Wie geht es ihm aktuell?

Williams: Ehrlich, es geht ihm gar nicht schlecht. Eigentlich sogar ganz gut. Manchmal kannst du bloß erkennen, dass er nicht mehr so schnell denken kann wie er früher gedacht hat. Aber er bekommt jetzt neue Medikamente. Hoffen wir, dass sie ihm helfen.

Was schenken Sie ihm?

Williams: Oh, tut mir leid, da musst du Ayda fragen. Meine Frau ist bei uns in der Familie für sämtliche Geschenke zuständig.

Auch das, was sie von Ihnen bekommt?

Williams: Nein, das bleibt an mir hängen. Ich weiß es aber noch nicht. Ich muss sie fragen. Oder selbst nachdenken. Kommt auch drauf an, wieviel ich dieses Mal ausgeben will (lacht).

Welche Weihnachtsrituale habt ihr in der Familie?

Williams: Alle bekommen einen Stiefel, voll mit Schokolade und anderem Süßkram. Und wir ziehen alle den gleichen Schlafanzug an. Das genügt uns an Ritualen.

Echt? Alle im selben Schlafanzug?

Williams: Aber hallo! Oder Onesies. Alle sechs. Mit den Dingern rennen wir dann um den Baum. Zumindest diejenigen von uns, die schon rennen können.

Habt ihr jedes Jahr andere Anzüge?

Williams: Haben wir. Aber auch hier ist die Frau zuständig. Sie sucht die Teile traditionell aus, ich halte mich komplett raus aus der Onesie-Frage.

Welches Weihnachten war Ihnen das Allerliebste´?

Williams: Das Weihnachten, als ich acht oder neun war und mein erstes BMX-Rad geschenkt bekam. Im Laufe meiner Kindheit hatte ich zwei BMX-Räder. Sie waren immer mein liebtes Transportmittel. Jeden Tag bin ich mit dem Rad durch die Gegend gekurvt.

Hat Ihr sechsjähriger Sohn Charlie auch schon ein BMX-Rad?

Williams: Nein, noch nicht.

Wie seid ihr überhaupt so als Eltern? Eher entspannt? Oder supervorsichtige Helikopter-Eltern?

Williams: Hm, ich würde sagen, ich bin weniger ein Helikopter-Elternteil als meine Frau. Und sie ist weniger ein Helikopter-Elternteil als die meisten ihrer Freundinnen. Aber wir passen schon gut auf die Kinder auf, Meine Kindheit war eine ganz andere. Ich verließ das Haus und war den ganzen Tag weg- Niemand wusste, wo. Und niemanden interessierte es. Das ist bei unseren Kindern anders.

Meinen Sie, die verpassen was? Sollten die Kinder mehr Abenteuer erleben?

Williams: Ich würde den Kleinen ja eine Kindheit gönnen, wie ich sie hatte. Wild und frei. Aber die Welt war damals irgendwie sicherer als heute, zumindest dachten wir das. Meine Kinder können hoffentlich noch genug Abenteuer erleben, wenn sie ein bisschen älter sind.

Als Sie „The Christmas Present“ 2019 zum ersten Mal veröffentlicht haben, äußerten Sie die Hoffnung, einen echten Weihnachtsklassiker geschaffen zu haben. Denken Sie mit einem Jahr Abstand, das ist Ihnen geglückt?

Williams: Das Album hat den Job gemacht, den ich mir von ihm versprochen habe. Und in diesem Jahr ist es erneut im Gespräch. Für mich war diese Platte eine richtige Wohltat. Ich hatte keinen Druck dabei wie bei einem herkömmlichen Robbie-Williams-Studioalbum. Bei denen heißt es ja jedes Mal, „Wenn es kein Erfolg wird, ist seine Karriere im Eimer“.

Wenn Sie wie jetzt in England sind, vermissen Sie eigentlich Ihr Zuhause in Los Angeles?

Williams: Nein. Aber umgekehrt auch nicht. Ich habe nirgendwo Heimweh. Ich bin ein Nomade. Ich langweile mich auch schnell, wenn ich lange an einem Ort sitze. Ich brauche die Bewegung. Ich muss mindestens alle drei Wochen weiterziehen.

Ändert sich das mit dem Älterwerden? Sind Sie heute sesshafter als vor 20, 30 Jahren?

Williams: Nee, nicht wirklich. Ich kenne ja auch kein anderes Leben. Ich lebe aus dem Koffer, seit ich 16 bin. Das hat mich geprägt. Ich stecke seit 1993 in Quarantäne.

Sie und Ayda, ihr seid dieses Jahr zehn Jahre verheiratet. Haben Sie ein bisschen feiern können?

Williams: Doch, wir haben irgendwas gemacht, mir fällt es nur gerade nicht ein. Warte. Ahhh, wir waren zusammen in den Bergen. Ein großartiger Tag war das. Wir sind wandern gewesen. Unglaubliche Ausblicke haben wir genossen. Die richtig große Parry, die wollen wir im nächsten Jahr machen.

Sind Sie so ein richtiger Hardcore-Wanderer?

Williams: Nö, ich bin ein entspannter Wanderer. Eigentlich mehr ein Spaziergänger. Bloß in den Hügeln über Los Angeles, also ein bisschen anstrengend war es schon.

Arbeiten Sie eigentlich aktuell an neuer Musik?

Williams: Ja! Ich habe ein Projekt, das im Frühjahr passieren soll. Ich will frische Sachen machen. Es kommen zwei Alben, ich bin Teil einer Band, mache Dance Music und will auch als DJ auftreten.

Weihnachten ist das Fest der Exzesse. Alkohol und Essen, wohin das Auge blickt. Sie trinken seit zwanzig Jahren nicht mehr und haben sich auch sonst den Drogenkonsum abgewöhnt. Ist es Weihnachten schwer, nüchtern zu bleiben?

Williams: Nein, überhaupt nicht. Mein Verlangen nach Rauschmitteln ist verflogen und einfach nicht mehr da. Aber, was das Essen angeht, okay, ich werde nichts kochen, aber ich will mir alles reinhauen, was da ist. Einmal im Jahr darf man das.

Robbie Williams: Vom Teenie- zum Weltstar

  • Robbie Williams, 1974 im englischen Stoke-on-Trent geboren, gehört zu den weltweit erfolgreichsten Popkünstlern.
  • Ende der 1980er- und Anfang der 1990er-Jahre gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Band Take That, mit denen er große Erfolge feierte. 1995 verließ Williams die Band, die sich wenig später vorerst auflöste und 2005 neu gründete.
  • Auch Williams trat zwischen 2009 und 2014 gelegentlich mit Take That auf, konzentrierte sich aber auf seine Solo-Karriere.
  • Williams, bekannt für Songs wie „Angels“, „Let Me Entertain You“ oder „Feel“, verkaufte weltweit mehr als 77 Millionen Tonträger und ist vielfach ausgezeichnet, darunter mit 18 Brit-Awards sowie mehreren Echos und Bambis.
  • 2005 verkaufte Williams an einem Tag 1,6 Millionen Tickets für seine Welttournee 2006, wofür er einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde erhielt. seko

Freier Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen