Mannheim. „Einer geht noch“: Gentlemans Erkenntnis, dass da noch ein Song zwischen den Augenblick und das Konzertende passt, wird das Publikum an diesem Zeltfestival-Abend wieder und wieder hören - und einen Sänger erleben, der mit überspringender Leidenschaft passgenau bis zum Taktstopp an der 22-Uhr-Grenze musiziert.
Der 1974 geborene Reggae-Profi, der vor rund 950 Besucherinnen und Besuchern im Reitstadion auf dem Mannheimer Maimarktgelände auftritt, ist nicht nur ein erfahrener Musiker mit jahrzehntelanger Bühnenerfahrung und mittlerweile sieben Alben im Repertoire-Koffer, sondern obendrein mit profunder Ortskenntnis ausgestattet: Bereits 2018 war Gentleman beim Zeltfestival zu Gast gewesen (das damals noch nicht nur dem Namen nach, sondern wirklich in einem Zelt stattfand). Im vergangenen Jahr, um diese kleine lokale Spielstatistik zu vervollständigen, trat er nur einen Mikrofon-Wurf weit entfernt beim Autokino-Konzertformat Carstival auf.
Vor drei Jahren konnten wir dabei eine schweißtreibende Show erleben, eine veritable Reggae-Explosion. Im vergangenen Sommer, als die Musik den Auto-Lautsprechern entnommen werden musste, ging es dann über weite Strecke mehr in die Entspannungsregionen - damals stellte Gentleman mit „Ahoi“ auch den Single-Vorboten seines allerersten deutschsprachigen Albums vor (bis dato sang er seine Songs auf Englisch und in der jamaikanisch-kreolischen Sprache Patois). Irgendwo zwischen diesen beiden atmosphärischen Zuständen pendelt sich die heurige Konzertdynamik ein. „Blaue Stunde“ ist längst erschienen, und tatsächlich sorgen gerade neue Stücke wie das heimelig blinzelnde Locus-amoenus-Lied „Garten“ oder die Entschleunigungs-Kontemplation „Time Out“ für unverbraucht frische Reggae-Pop-Schwingungen. Gleichzeitig finden sich arrivierte Titel wie „Can't Stop The Love“, „Jah Ina Yuh Life“, das hymnische „Superior“ und vor allem das kernig zupackende „Ovaload“ (das Gentleman eins zusammen mit seinem jamaikanischen Dancehall-Kollegen Sean Paul schrieb) im Programm, die mit hoher Aktivierungsenergie für reichlich Stimmbänder- und Körperbewegungen im Publikum sorgen.
Eingangs hat die Stuttgarter Reggae- und Dub-Band Dubarise die entsprechenden Muskelpartien gründlich aufgelockert. Sobald Gentlemans Band The Evolution mit Sängerin Treesha hiernach das Hauptkonzert eröffnen, erweisen sich die Bestuhlung vor der Bühne und die Sitzplätze auf der Tribune als überflüssig. Zum Ende des zweistündigen Auftritts hin verlässt Gentleman zeitweise die Bühne, um publikumsnah singend durch die Reihen zu laufen – und dabei einmal mehr ausgiebig von seinen Fans gefeiert zu werden.
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