Kabarettkritik

Quirlige Satire als Man(n)tra im Mannheimer Capitol

Dem Programm des Mainzers Tobias Mann zu folgen, erfordert Konzentration - aber das lohnt sich für die Gäste im Mannheimer Capitol

Von 
Waltraud Kirsch-Mayer
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Tobias Mann in Aktion. © Thomas Tröster

Mannheim. Mann-o-Mann, was für ein Aufritt, wenn Tobias Mann als Satiriker und Musiker den Mann in sich sucht. Und damit begeistert er Geschlechtsgenossen wie Frauen. Fast drei Stunden lang düst er im gut besuchten Mannheimer Capitol schnellsprechend über die Bühne und fordert mit tanzenden Synapsen sein Publikum heraus. Von wegen entspannt zurücklehnen. Wenn der studierte Wirtschaftswissenschaftler, der lieber mit Worten statt Zahlen jongliert, loslegt, dann heißt es sich konzentrieren.

Hassliebe zu Christian Lindner

Bekanntlich strotzt die deutsche Politik nur so vor testosteron-gesteuerten Männern - und auf die hat es der Mainzer abgesehen. Geradezu eine Hassliebe verbindet ihn beispielsweise mit dem obersten Liberalen und Finanzminister Christian Lindner. Hingegen gesteht er dem grünen Wirtschaftsminister Robert Habeck, „dem Golden Retriever der grünen Politik“, zumindest zu, dass dieser mit wunderbarem Hundeblick und philosophischen Formulierungen zu erläutern vermag, warum etwas schief geht.

Apropos Philosophen, Richard David Precht, der TV-Star der denkenden Zunft , soll gar keiner sein , sondern sich als verkappter Physiker mit heißer Luft beschäftigten. Mann, der seine Karriere im Mainzer Karneval begann und später Kabarett zum „Man(n)tra“ machte, teilt mächtig aus, aber nie unter der Gürtellinie. Ohnehin will er Hass-Kommentare im Internet mit Liebe neutralisieren, was ihn zu einem köstlich verschwurbelten Text motiviert hat.

Überhaupt erweist sich der 47-Jährige als Spezialist für ungewöhnliche Interpretationen. Wenn er von einem befragten Besucher erfährt, dass dieser nur von seiner Frau „mitgeschleppt“ wurde, dann hofft er auf das „Stockholm -Syndrom“, bei dem Geiseln Sympathie für die Situation ihrer Entführung entwickeln. Und das dürfte insbesondere zutreffen, wenn Mann zur Gitarre greift oder in die Klaviertasten haut. Auf Klarinette und Saxophon verzichtet er meist, weil sich dazu, wie er zu sagen pflegt, schlecht gleichzeitig singen lässt. Und das wäre wegen seiner eigenwilligen Texte schade.

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