Sommerbühne

Paulinko spielen mit viel Pop-Energie vor der Alten Feuerwache

Das nordrhein-westfälische Elektro-Pop-Duo Paulinko gibt ein gut besuchtes Sommerbühnen-Open-Air-Konzert vor der Alten Feuerwache in Mannheim und lädt dabei NDW-Frequenzen aus den 80ern mit neuer Kraft auf

Von 
Martin Vögele
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Anna Pauline Kohn vor der Alten Feuerwache Mannheim. © Rudolf J. Uhrig

Mannheim. „Alle Mittelfinger hoch!“, ermuntert Paulinko-Sängerin Anna Pauline Kohn das Publikum vor der Alten Feuerwache in Mannheim zur solidarischen Geste im Kampf gegen männliches Vorherrschaftsstreben.

Das nordrhein-westfälische Elektro-Pop-Duo Paulinko gibt ein gut besuchtes Sommerbühnen-Open-Air-Konzert und lädt dabei NDW-Frequenzen aus den 80ern mit neuer Kraft auf. „Skandal im Patriarchat“ heißt der dazu gespielte Song, in dessen Titel sich einerseits (auf den Spuren der Spider Murphy Gang) ein Neue-Deutsche-Welle-Querverweis erkennen lässt – womit man auch, was die musikalische Ausrichtung des Duos betrifft, auf keine falsche Fährte geführt wird.

Zum anderen nehmen die beiden Musikerinnen mithin eine entschiedene persönliche Haltung ein, die nicht nur notwendig progressiv ist, sondern auch ziemlich eingängig klingt: Es ist Pop, klar, aber ein gesellschaftspolitisch aufgeladener, der sich gegen Diskriminierung und für Feminismus und queeres Empowerment positioniert. Aus dem nordrhein-westfälischen Ratingen stammt das von Band-Namensgeberin Anna Pauline Kohn gemeinsam mit Schlagzeugerin Lisa-Marie gebildete Elektro-Pop-Duo Paulinko, das an diesem vorbildlichen Sommerabend bei der Feuerwache auftritt. Gesang und Drums sind mithin live, der Rest wird vom Band zugespielt. Der dergestalt hervorgebrachte – und von beiden mit reichlich performativer Dynamik ausgestaltete – Gesamtsound schwingt über weite Strecken auf 80er-Jahre-NDW-Frequenzen, die einen nicht zuletzt an Ideal, 2raumwohnung und also die Humpe-Schwestern denken lassen.

Frische Dynamik mit ruppigen Neue-Deutsche-Welle-Sequenzen

Bisweilen werden die Stücke durch durchdringende 90er-Indie-Impulse verstärkt, wie wir sie exemplarisch von der schottischen Band Bis und ihrem „Eurodisco“-Abgesang kennen (siehe: „Lila malt“). Und teilweise wird der zugrundeliegende Elektro-Beat auch auf der nach oben hin offenen Deichkind-Skala in ruppigere Regionen kalibriert („Fuchsig“).

Dezidiert wird dem 80er-Vorbild Nena mit einer Coverversion von „Nur geträumt“ Reverenz erwiesen und bei „Turboheiss“, für das der Gesang von Studio-Co-Vocalist Salò mit eingespielt wird, bildet ein „Da Da Da“-Sample von Trio die Grundlage. Mit „Spießer“ stemmt sich das Duo gegen den Strom, mit ähnlicher Verve wie im Anti-Hauptstadt-Arroganz-Stück „Berlin“.

Eingängige Wegmarken sind daneben das Disco-kugelig blitzende „So was wie Liebe“ oder das über dichte New-Wave-Nebel katapultierte „Bis die Sonne aufwacht“.

Paulinko bringen gleichermaßen zwischenmenschliche Töne zum Klingen, beispielsweise in dem wie Brausepulver prickelnden Liebeslied „Rummelplatz“ oder wenn sie den beherzten Erkenntnis-Vorsatz fassen, „Nie wieder Blind vor Liebe“ sein zu wollen. „Komet“ ist ein pointierter Song über Angststörungen, und „Als sie sie küsst“ erzählt eine ermutigende Selbstermächtigungsgeschichte. All das kann Pop.

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