Helga Köbler-Stählin
Adolf Kutschker fiel immer was ein. "Täglich ein Gedicht" war seine Devise, und wer ihn kannte, weiß, dass es dabei nicht blieb. Über 20 000 Tagebuchblätter hat er gefüllt. Es waren die Kleinigkeiten, die er, der freundliche Herr, erfuhr, wenn er sich unter die Menschen mischte. Er notierte sie in der Straßenbahn, im Museum, den Galerien und Kunstschauplätzen, die er so besonders liebte. "Small Talk" war für ihn eine Fundgrube, und alles, was er so hörte und sah, bekam im kleinen schwarzen Buch vorläufigen Platz. Daheim verwob er Erlebtes mit Sprachwitz und Humor und schuf dann diese unverkennbaren, hellen und schönen Gedichte.
1929 wurde Adolf Kutschker im Sudetenland geboren, als Schüler noch zu den Soldaten eingezogen, geriet in Gefangenschaft, wo man sein Gehör zerstörte. Später kam Kutschker nach Karlsruhe, Köln und Mannheim. Seit 1960 lebte er mit seiner Frau Luise, Sohn und Tochter in der Quadratestadt. Nach dem Krieg, als Dekorateur und Werbeleiter einer großen Kaufhauskette, dichtete Kutschker humorvolle Werbeslogans, die mit zahlreichen Preisen belohnt wurden. Schreibmaschine oder Computer brauchte er dazu nie. Mit zeichnerischem Können gab er seinen Texten eine persönliche Note, schrieb handschriftlich dekorative Bücher und wurde als "Markogrammatologe" bekannt.
Erfinder des "Herrn Jeh"
Sprach man ihn auf diese Berufsbezeichnung an, lächelte er verschmitzt und gestand, dass er eigentlich nur Briefmarken gestaltete. Von Menschen, mit denen er gerne Umgang pflegte; von Schauspielern, Künstlern, Musikern, Autoren. In kalligraphisch verzierte Schmuckblätter eingefügt, sammelte er mit so viel Erfolg deren Autogramme, dass er ins Guinness Buch der Rekorde aufgenommen wurde.
Für all seine Erlebnisse schuf Adolf Kutschker als Spiritus Rector "Herr Jeh", der in Wilhelm-Busch-, Ringelnatz- oder Kästner-Manier seine Weisheiten zum Besten gibt. Nicht ohne Kommentar von "Hermine", seinem Weib, das Kutschker in seinen vielen Lesungen gerne zu Wort kommen ließ. Doch nun schweigen beide. Adolf Kutschker ist tot. Der Autor, der in Zeitungen, Fachzeitschriften und Anthologien veröffentlicht hat, in Rundfunk und Fernsehen Beachtung fand, war Geschäftsführer des Literarischen Zentrums "Die Räuber '77" und Leiter der Literaturwerkstatt der Mannheimer Abendakademie. Der humorvolle Dichter, der so vielen Menschen Freude schenkte, ist 80-jährig am Dienstag gestorben.
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