Mannheim. Kurz vor der Pause war Aufstand angesagt in der Feudenheimer Epiphanias-Kirche: Mit Plakaten und Spruchbändern bewaffnet („Gegen Rassismus“, „Weltfrieden“, „Umweltschutz statt Kohlekraft“) stürmten Aktivisten schreiend auf die Bühne. Das Thema von Christiane Michel-Ostertuns uraufgeführtem Oratorium „Gottes Schöpfung - unsere Erde“ legt Proteste gegen unseren Umgang mit diesem Planeten aber auch wirklich nahe.
Begonnen hatte das Werk, wie eben ein Schöpfungs-Oratorium beginnt: Mit Musik (einige Musiker des Heidelberger Kantatenorchesters), die aus dem Nichts kommt, mit einer unfertigen Bühne, die erst noch hergerichtet werden muss. Ein ungebrochener Lobpreis auf die Schöpfung würde heute verlogen und unangemessen beschönigend klingen; Die Textdichterin, die Hamburger Autorin Ulrike Krumm, hatte die biblische Schöpfungsgeschichte um aktuelle politische Aspekte erweitert, darunter auch um jene Protest-Aktion.
Adams Partnersuche
Auf die Arie Gottes „Gut soll sie sein, meine Schöpfung“ antwortet der erboste Chor: „Ich finde, die Schöpfung ist gar nicht perfekt.“ Zu den eingefügten Elementen gehörte auch die Partnersuche Adams: Gott will ihm jemanden zur Seite geben und formt verschiedene Tiere aus Lehm. Doch weder mit Elefant, Maulwurf oder Eichhörnchen als Lebenspartner kann Adam sich anfreunden - bis Gott auf die Idee kommt, Eva zu erschaffen.
„Oratorium mit szenischen Elementen“ lautete der Untertitel des Werkes, Florian Wilhelm führte Regie, seine Inszenierung verdeutlichte vieles, was im Text angelegt ist. Manchmal entstand aber auch der Eindruck, dass Wilhelm des Guten zu viel tat. Nicht jede Bewegung des Chores war sinnstiftend. Dass der Chor (und oft auch die Instrumentalisten) nahezu unablässig in Bewegung waren, wirkte manchmal unruhig; weniger wäre hier mehr gewesen. Allerdings musste Wilhelm auch mit dem Problem fertig werden, die Tänzerinnen und Tänzer der „Dance Professional Mannheim“ in die Aufführung zu integrieren, einer Vorbereitungsinstitution für Profi-Tänzer, die die gestellten Anforderungen hochprofessionell bewältigten.
Gemäßigt modern
Komponistin des abendfüllenden Werkes ist die Kirchenmusikerin und Professorin für Orgelimprovisation Christiane Michel-Ostertun, die bereits mehrfach mit Oratorien an die Öffentlichkeit trat. Im Falle von „Gottes Schöpfung - unsere Erde“ handelt es sich, wie häufig im kirchenmusikalischen Kontext, um eine gemäßigt moderne Musiksprache; es ist eine Art von christlichem Expressionismus, der einerseits die Handlungselemente verdeutlicht und unterstreicht, der andererseits auf allzu experimentelle Klänge verzichtet. Schließlich sind die meisten der Ausführenden Laienmusiker.
Die Sänger des Kirchenchors Feudenheim und des Kammerchors Cantabile hatten genau wie der Kinderchor Feudenheim nicht nur chorische, sondern auch darstellerische Aufgaben zu meistern, und sie machten beides fast immer makellos, trotz ihrer umfangreichen Partien. Große Partien zu bewältigen hatten auch die Solisten. Matthias Horn hat einen sonoren, jederzeit beweglichen Bass; Stephen Matthews einen höhensicheren, strahlenden Tenor; besonders überzeugte Serena Hart durch ihren glockenhellen, raumfüllenden Sopran. Die Leitung lag bei der Komponistin, die ihre Musiker sicher durch das Werk führte und gelegentliche Wackler rechtzeitig auffing. (Bild: Eichler)
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