Neues Album von Peter Fox: „Ich bin ein Popschwein“

15 Jahre nach dem Mega-Erfolg „Stadtaffe“ und zwei Abschiedskonzerten als Solo-Künstler 2009 veröffentlicht der eher öffentlichkeitsscheue Seeed-Sänger Peter Fox jetzt sein zweites Album „Love Songs“

Von 
Steffen Rüth
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Normalerweise nicht sehr redselig: Vor der Veröffentlichung seiner neuen Solo-Platte gab Seeed-Frontmann Peter Fox in Berlin bereitwillig Auskunft. © dpa

Filmstudio Babelsberg in Potsdam. Etwa fünfzig Journalistinnen und Journalisten warten bei Brause und Schokoriegeln auf einen der coolsten und lässigsten Menschen Deutschlands. Dann schlendert er einfach rein und setzt sich aufs Podium, Aufregung Fehlanzeige: Peter Fox, 51, probt gerade nebenan für seine Tournee, am Freitag veröffentlicht er sein zweites Soloalbum mit dem interessanten Titel „Love Songs“. Peter Fox selbst ist anzumerken, dass die Pressekonferenz nicht sein natürliches Habitat darstellt. Doch der verheiratete Familienvater ist freundlich, empathisch, aufrichtig, selbstkritisch, duckt sich auch bei heiklen Themen nicht weg und schlägt sich sehr wacker während der achtzigminütigen Fragerunde.

Peter Fox, die Erwartungen an Ihr zweites Soloalbum 15 Jahre nach „Stadtaffe“ sind riesig. Wie kamen Sie mit dem Druck zurecht?

Peter Fox: Tatsächlich habe ich den ganzen Ballast anfangs nicht gespürt, sondern einfach Musik gemacht. Für mich spielt der Vergleich mit „Stadtaffe“ jetzt nicht so eine große Rolle. Und was die Erwartungshaltung betrifft: Die ist da, das merke ich auch, doch daran kann ich sowieso nichts ändern.

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Jörg-Peter Klotz
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Wie haben Sie sich in den fünfzehn Jahren seit „Stadtaffe“ verändert?

Fox: Auf jeden Fall bin ich viele Illusionen losgeworden. Früher war ich romantischer veranlagt, habe aber noch mehr versucht, den Toughen zu machen. Jetzt habe ich das Gefühl, das wäre lächerlich. Es ist auch ein Alters- oder Lebenserfahrungsding, dass ich viele Dinge heute nicht mehr so ernstnehmen kann. Als ich jünger war, haben mich Filme total begeistert. Heute denke ich schnell: „Das ist doch nicht echt, sondern ausgedachte Scheiße.“ Auch der Musik- oder Rap-Kultur, wo ich früher auch die Attitüde und die Posen geil fand, kann ich nicht mehr so viel abgewinnen. Seit ich weiß, dass die ganzen Rapper auch nur Würste sind wie ich, kriegt mich das alles nicht mehr so.

Adriano Celentano singt mit Ihnen das Duett „Toscana Fanboys“. Wie haben Sie ihn dazu gewinnen können, mitzumachen?

Fox: Wir hatten in der Toskana zwei Wochen im Studio verbracht, weil es nicht so geil ist, immer nur in Berlin zu sein. Wir haben die Zeit dort echt total geliebt, und auch den Song selbst in der Toskana geschrieben. Vielleicht konnte sich Celentano noch an mich erinnern, denn vor zwanzig Jahren hat er uns mit Seeed mal in seine Fernsehsendung in Italien eingeladen. Jedenfalls hat er gesagt: „Okay, mach’ ich.“ Ganz unkompliziert war es dann trotzdem nicht, er ist auf jeden Fall auch eine Diva. Aber trotzdem toll, dass er dabei ist.

Sie haben 2009 deutlich gesagt, dass Sie nur noch im Kollektiv Musik machen möchten. Jetzt sind Sie doch wieder solo am Start…

Fox: Ja, bescheuert, ne (lacht).

Wie kam es also zu dem Meinungsumschwung?

Fox: Das mit dem Kollektiv stimmt nach wie vor. Ich habe die Platte nicht im stillen Kämmerlein gemacht, sondern zusammen mit sehr vielen guten Musikern und Produzenten. Mit anderen Leuten zusammen Musik zu machen, ist viel geiler, als es alles alleine zu machen. Ursprünglich war auch jetzt, wie schon bei der ersten Peter-Fox-Platte, wieder nicht geplant, ein Soloalbum zu machen. Ich wollte mit dem Rapper Trettmann ein paar Songs zusammen machen, eine EP vielleicht, dann hat er aus diversen Gründen abgesagt, ich hatte aber schon angefangen mit Beats und ein paar Themen. Irgendwann hatten wir sechs, sieben Songs und dann hieß es gleich „Ey, warum machst du kein Album?“ Erst wollte ich nicht. Dann dachte ich „Warum eigentlich nicht?“ Und jetzt ist es halt so (lacht).

Die Vorab-Single „Zukunft Pink“ ist gleich ein Riesenhit geworden. Haben Sie mit den begeisterten Reaktionen gerechnet?

Fox: Nein. Mich freut natürlich sehr, dass „Zukunft PinK“ so gut angekommen ist. Aber darüber mache ich mir keine Gedanken. Ich möchte vor allem versuchen, mich selbst zu begeistern mit dem, was ich mache. Daher haben wir viel Frische drin und nicht viel gemacht, das so klingt wie vor fünfzehn Jahren. Mir geht es nicht darum, was zu machen, das möglichst erfolgreich ist. Ich bin zum Glück ein Popschwein. Ich mag Sachen, die anscheinend auch viele andere Leute mögen. Aber das ist nicht das, worum es mir geht. Sondern ich will frische Sachen machen, die ich jetzt und heute gut finde.

Wie haben Sie sich inhaltlich von „Stadtaffe“ zu „Love Songs“ entwickelt?

Fox: Der Humor hat sich ein bisschen geändert. „Stadtaffe“ war ziemlich machohaft, auch wenn ich schon immer schon versucht habe, klarzustellen, dass ich nicht der Überchef und der große Checker bin. Ich habe auch versucht, das statusfixierte Affengehabe humorvoll zu betrachten. Der Humor war auch darauf begründet, dass man mit bestimmten Klischees zwischen Mann und Frau spielt. Inzwischen funktionieren halt manche von den Sachen nicht mehr. Aber es gibt definitiv nicht genug Liebe auf der Welt – deshalb beschloss ich, die Platte so zu nennen.

Sehen Sie zwischen „Stadtaffe“ und „Love Songs“ auch Gemeinsamkeiten?

Fox: Musikalisch auf jeden Fall, auch wenn ich es tendenziell langweilig finde, mich zu wiederholen. Aber bei „Regen in Dubai“ haben wir wieder schöne Streicher dabei, das ist bewusst eine Farbe von damals, die ich einfach auch liebe. Noch mehr als mit Streichern haben wir allerdings mit Chören gemacht. Ganz wichtig bei der Produktion war mir, dass man hört, dass Menschen involviert sind. Dass es nicht wie eine Laptop-Produktion klingt. Wir haben zum Beispiel mit Freunden Gesangsessions beim Barbecue im Garten gemacht. Wir haben extrem darauf geachtet, dass man Leute hört.

Sie erwähnen in „Zukunft Pink“ die „Tax me now“-Kampagne, in der Aktivistinnen dafür eintreten, dass reiche Menschen und Erben mehr Steuern zahlen. Wo sehen Sie die Verantwortung der Reichen und Superreichen dieser Welt?

Fox: Ich habe mir immer gewünscht, dass die Leute mich danach fragen, als „Zukunft Pink“ rauskam. Da ich ein reicher, durch Musik reich gewordener und sehr privilegierter Mensch bin, mache ich mir viele Gedanken. Ich sehe auf der anderen Seite, dass es sehr starke Kräfte gibt, die darauf beharren, dass alles so bleibt, wie es ist. Das finde ich nicht gut. Ich will aber auch nicht in einem Song sagen „Mehr Gerechtigkeit! Steuern rauf!“ Das wäre kein sexy Song. Deshalb habe ich versucht, das Thema so einzupacken. Das ist vielleicht meine Art, meine Inhalte rüberzubringen und trotzdem noch ein bisschen den Coolen zu machen.

Für „Zukunft Pink“ sind Sie nicht nur gefeiert, sondern auch hart angegangen worden. Es hieß, Sie hätten den südafrikanischen Dance-Music-Stil Amapiano verwendet, ohne ausreichend kenntlich gemacht zu haben, woher diese Musik kommt. Der Vorwurf: Kulturelle Aneignung.

Fox: Wir waren auf der Bühne immer relativ multikulturell unterwegs, bloß war das vor zwanzig Jahren, auch in unserer Bubble, einfach nicht so ein Thema. Ich akzeptiere, dass sich vieles geändert hat seitdem. Es ist größtenteils richtig so, wenn sich Leute melden, für ihre Rechte einstehen und sagen „Dieses finden wir nicht cool, und jenes muss sich ändern.“ Da haben wir alle, auch ich, noch einiges zu lernen. Ich fand trotzdem die Diskussion nicht cool und nicht fair.

Inwiefern?

Fox: Jeder, der mit mir zu tun hat, weiß, dass das nicht meine Musik ist. Ich habe das auch nie behauptet, im Gegenteil. Das wurde von der anderen Seite nicht gut und akkurat recherchiert. Plötzlich stand ich vor der Situation, dass über meine Person kulturelle Aneignung verhandelt wurde, während andere Punkte, die mir mit dem Song voll wichtig waren, zum Beispiel „Tax me now“ überhaupt nicht besprochen wurden. Aber da gibt es kein Rumgeheule, auch wenn mich die Diskussion betroffen gemacht hat. Ich sage mal: „You live, you learn“ (Man lebt, man lernt). Ich hätte das alles besser kommunizieren müssen, dann wäre es auch geschneidiger gelaufen.

Hat Sie der Angriff kalt erwischt?

Fox: Ja, mir hat die Geschichte zwei Monate lang praktisch den Stecker gezogen. Mich hat das sehr bedrückt und auch beschäftigt.

Wäre es denn eine Option für Sie, politisch aktiv zu werden?

Fox: Das muss ich mir sehr gut überlegen. Wenn ich einmal damit anfange, kann ich mir nie wieder den Hut des lockeren Musikers aufsetzen. Ich weiß auch nicht, ob ich das Rüstzeug hätte, Politiker zu sein. Ich bin ein Sensibelchen, ich bin schnell eingeschnappt. Wenn du in die Politik gehst, musst du superhart sein. Die fressen dich dort sonst zum Frühstück – und dafür bin ich nicht gebaut (lacht).

Liebeslieder sind ein ganz schwieriges Feld, gerade in Deutschland. Warum heißt Ihr Album „Love Songs“ und ist voll mit Liebesliedern?

Fox: Ich wollte das Album erst „Zukunft Pink“ nennen, aber dadurch, dass ich erstens den Song ein bisschen durchgenudelt finde und auch durch diese leichte graue Wolke, die durch die Aneignungsdiskussion über dem Stück hing, wollte ich einen anderen Titel. Ich überlegte, worum es in den Songs geht, was ich eigentlich vermitteln will, und heraus kam: Liebe. Punkt. Das Album ist voller Geschichten, die mit Liebe zu tun haben – es gibt ein paar Liebeslieder im klassischen Sinne wie „Tuff Cookie“ oder auch Songs über die Abwesenheit von Liebe.

Sie haben im „Spiegel“-Interview gesagt, dass Sie sich zu alt fühlen, um Popstar zu sein. Warum ’machen Sie das dann trotzdem hier?

Fox: Ich habe keine gute Antwort auf diese sehr gute Frage. Ich merke oft „Eigentlich ist das hier nicht mehr deine Rolle“. Weil ich viel zu viel hinterfrage und die ganzen Posen lächerlich finde, auch die neuen Tänze kann ich überhaupt nicht. Deshalb habe ich tatsächlich das Gefühl, dass ich zu alt hierfür bin, auf der anderen Seite macht es mir aber noch recht viel Spaß.

Gibt es nach „Love Songs“ noch weitere Peter-Fox-Alben?

Fox: Vielleicht bringen wir noch den einen oder anderen Song raus, der nicht rechtzeitig für „Love Songs“ fertiggeworden ist, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich so eine Nummer nicht nochmal mache. Ich weiß, das habe ich 2009 auch schon gesagt. Damals hatte ich keinen Bock mehr, Solo-Popstar zu sein und wollte wieder mit Seeed loslegen. Inzwischen denke ich, ich habe echt alles erzählt. Und ich finde auch andere Sachen im Leben noch sehr spannend. Ich sehe mich nicht mit 70 auf der Bühne noch „Schüttel deinen Speck“ singen (lacht).

Von Seeed über „Stadtaffe“ zu „Love Songs“

Pierre Baigorry alias Peter Fox wurde am 3. September 1971 in Berlin geboren. Nach Abitur, einer abgebrochenen Lehre als Klavierbauer und dem Versuch, zu studieren, startete 1998 seine Karriere als Co-Frontmann der Dancehall-Band Seeed.

Ab 2000 starteten die Berliner unter anderem mit dem Hit „Dickes B“ durch und avancierten zu einer der erfolgreichsten Bands der Republik, die bis heute große Arenen füllt.

2008 veröffentlichte Fox die Solo-Platte „Stadtaffe“ mit Hits wie „Alles neu“ und „Haus am See“. Das Album verkaufte sich über 1,5 Millionen Mal und war 2009 das meistverkaufte Album in Deutschland.

Nach einer sehr erfolgreichen Tour mit zwei Abschiedskonzerten in Berlin (und einer großartigen Show im Juli 2009 bei den Hip-Hop-Open am Mannheimer Schloss) beendete Fox seine Solo-Karriere.

Trotzdem erscheint jetzt sein zweites Solo-Werk „Love Songs“.

Kurzkritik: Elf Stücke und 35 Minuten kurz – ist ein Knaller. Die Platte ist eine sehr sommerlich entspannte Angelegenheit, Songs wie „Tuff Cookie“ oder „Disney“ klingen sehr süffig, sehr sexy, ein bisschen wie Zuckerwatte für alle Sinne. Die Produktion, für die einmal mehr die Seeed-Stammproduzenten The Krauts federführend sorgten, sitzt, die Sounds sind alle sehr warm und hochwertig. SR/jpk

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