Musik

Neues Album der Libertines überzeugt durch tiefgreifende Texte und überraschenden Musikmix

Es kam unverhofft und ist richtig gut: „All Quiet On The Eastern Esplanade“, das Comeback-Album der britischen Libertines Pete Doherty und Carl Barat

Von 
Marcel Anders
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Starkes Comeback: Pete Doherty (l.) und Carl Barat von den Libertines. © Yui Mok/dpa

In den 2000ern stand The Libertines für ruppigen Garagenrock. Den haben die vier Musiker auch gelebt: Drogen, Supermodels, Entzugskliniken, Streitigkeiten und immer neue Negativ-Schlagzeilen. Die kreativen Köpfe - Carl Barat und Pete Doherty - waren wie Nitro & Glyzerin, was die Musik oft überschattet hat. Nach neun Jahren Pause wagen die Mittvierziger nun einen neuen Anlauf - zum ersten Mal nüchtern, wie Barat verrät: „Bei diesen Aufnahmen herrschte regelrechte Abstinenz. Und es ist bemerkenswert, wie viel mehr Zeit man plötzlich für wichtige Dinge hat und dass sich das Temperament mancher Leute leichter kontrollieren lässt. Das hat sich als extrem nützlich erwiesen.“

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Ein Seitenhieb auf Bandkollege Pete Doherty. Der nimmt seit der Geburt seiner Tochter 2021 keine Drogen mehr, ist körperlich merklich fülliger geworden, aber auch musikalisch anspruchsvoller. Davon zeugt das vierte Album der Briten, mit dem eigentlich niemand mehr gerechnet hätte, weil die einzelnen Bandmitglieder zuletzt zahlreiche (aber wenig erfolgreiche) Solo-Projekte unterhalten haben.

Album voll mit opulentem Orchester-Pop und Folk-Elementen

„All Quiet On The Eastern Esplanade“, so der Titel, warten nur selten mit dem ungeschliffenen Garagenrock seiner Vorgänger auf. Dafür mit opulentem Orchester-Pop, Folk- und Vaudeville-Elementen sowie nostalgischen Balladen. Eine Mischung, die an die legendären Kinks um Mastermind Ray Davies erinnert. Ein Vergleich, der Doherty sichtlich stolz macht: „Sehr nett, danke. Ray war einer der besten Songwriter im Nachkriegs-England - vielleicht sogar der Welt. Auch wir versuchen, möglichst vielseitig zu sein und alles aus einem insularen Blickwinkel zu betrachten.“

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Damit wären wir bei der zweiten Überraschung des Albums: den tiefgründigen Texten. Da glänzen die Libertines mit Zitaten der Weltliteratur, verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine, sprechen sich gegen Ausländerhass, Rechtspopulisten und die Tory-Regierung aus und nehmen - im Stück „Shiver“ - Abschied von Queen Elizabeth. „Wir haben den Song auf Jamaika geschrieben; während eines Tropen-Sturms“, so Barat. „Da haben wir uns die Beerdigungszeremonie im TV angeschaut und anschließend beim Gottesdienst der lokalen Kirche mitgesungen. Ein unvergesslicher Moment - ihr Tod ist das endgültige Ende des Empires. Eine historische Zeitenwende.“

Genau die markiert „All Quiet On The Eastern Esplanade“ auch für die mittlerweile 27-jährige Karriere der Libertines. Wobei der Höhepunkt dieses starken Comebacks ganz klar „Songs They Never Play On The Radio“ ist: Eine Nummer in bester Beatles-Manier, die in eine lupenreine Parodie umschlägt - und in großem Gelächter endet. Ein Indiz dafür, dass die Mittvierziger sich und ihre Kunst nicht mehr ganz so ernst nehmen. „Es hat was von einem Monty Python-Sketch“, konstatiert Doherty. Und da ich die Pythons mag, hatte ich nichts dagegen, das mit aufs Album zu nehmen.“

Bleibt der Albumtitel - abgeleitet vom Kriegs-Drama „Im Westen Nichts Neues“ von Erich Maria Remarque. Hier aber eine Anspielung auf das bandeigene Boutique-Hotel im englischen Badeort Margate: „The Albion Rooms“. An der Rezeption: Carl Barat höchstpersönlich.

Freier Autor

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