Mannheim. Mystiker, Musiker, Heiler: Der südafrikanische Pianist Nduduzo Makhathini vertritt ein aus westlicher Sicht faszinierend andersartiges Musikverständnis. Als Artist in Residence des Enjoy-Jazz-Festivals gibt er Einblicke in seinen ganz eigenen philosophischen Kosmos.
Mister Makhathini, Ihr Auftakt-Konzert bei Enjoy Jazz im Duo mit Vijay Iyer ist eine Weltpremiere. Sie spielen auf zwei Flügeln. Was darf das Publikum erwarten? Wie proben Sie dafür?
Nduduzo Makhathini: Zunächst einmal fühle ich mich zutiefst geehrt, das Duo mit Bruder Iyer präsentieren zu dürfen. Ich respektiere seine Musikalität und kann es gar nicht erwarten, mit ihm auf der Bühne zu sein. Ich denke, wir werden uns zwischen komponierten und improvisierten Klängen bewegen. Ich habe keine konkrete Vorstellung, wie das sein wird, aber es wird auf jeden Fall etwas sehr Besonderes sein. Vorbereiten kann man sich darauf, indem man aufeinander hört – auf die Musik, die wir machen, aber auch darauf, wie wir über Musik denken.
In Ihrem Spiel höre ich Anklänge an McCoy Tyner, auch an Andrew Hill und Randy Weston, Vertreter einer perkussiven Seite des Jazzpianos. Wie sehr sind Sie als Südafrikaner der afroamerikanischen US-Tradition verbunden?
Makhathini: Tyner ist ein großer Einfluss, er bietet eine Möglichkeit, den traditionellen südafrikanischen Nguni-Gesangs- und Tanzstil in eine pianistische Klangsprache zu transportieren. Und natürlich sind Hill und Weston von einer ähnlichen Sehnsucht erfüllt, afrikanische Rhythmen auf ein Instrument westlicher klassischer Musik zu übertragen. Ich fühle mich sehr stark hingezogen zu dieser Vision.
Sie gastieren bei Enjoy Jazz auch mit Ihrem Trio. Würden Sie mir zustimmen, dass Ihre Trio-Musik mehr als alles andere durch ihren kollektiven Geist geprägt ist?
Makhathini: Voll und ganz. Die Verteilung der Energie in einem Trio-Format ist etwas ganz Spezielles. Es ist die Magie einer Art kosmischer Gleichung, eine Art von Dreieinigkeit.
Ihr Schlagzeuger Francisco Mela bringt ungewöhnlich komplexe, kubanische Polyrhythmen ins Spiel. Hat er die Musik des Trios nicht völlig verändert?
Makhathini: Ich denke, es ist vielmehr so, dass die Musik Melas Spiel transformiert hat. Ich glaube, dass die Musik selbst uns immer „sagt“, wie sie gespielt werden möchte. Die größten Musiker sind diejenigen, die diesen Ruf annehmen und der Musik folgen. Mela ist einer von ihnen, ich bin dankbar für seine Mitwirkung.
Einige Stücke auf Ihrem neuen Album „Nomkhubulwane“ klingen wie sakrale Hymnen. Ist die christliche Kirche, mit der Sie aufwuchsen, noch immer wichtig für Ihre Musik?
Makhathini: Hymnen sind auf jeden Fall ein Bestandteil meiner musikalischen Bibliothek. Das sind Klänge, mit denen ich aufgewachsen bin, ich kann sie nicht ignorieren. Ich muss betonen, dass ich als Kind mit verschiedenen Arten von Religiosität Kontakt hatte, das Christentum war eine davon.
Was ist Ihrer Meinung nach das Besondere an der Musik Südafrikas
Makhathini: Was die südafrikanische Musik so einzigartig macht, ist ihre politische Dimension, ihre Spiritualität und die Diversität der verschiedenen Kulturen, die unsere Musik beeinflusst haben. Viele unserer Künstler glauben mit ganzem Herzen an die Freiheit, und ich denke, auch das ist in der Musik spürbar.
In Ihrer Musik kommen eingängige Melodien ebenso vor wie sperrige Free-Jazz-Passagen. Was ist der Grund für derart extreme Kontraste
Makhathini: Ich denke stets an Spannung und Entspannung, das ist für mich ein wichtiger Kontrast auf der Suche nach musikalischer Balance. Die Eingängigkeit von Melodien ist wie eine Einladung an das Publikum, ihm nahe zu bringen, was inhärent in einem Klang lebt, statt es gleich mit der ästhetischen Fülle der Musik zu überwältigen.
Sie selbst haben die Brutalität des südafrikanischen Apartheidssystems am eigenen Leib erfahren. Aber Ihre Musik klingt nie aggressiv. Wie schaffen Sie das?
Makhathini: Ich habe die Gewalttätigkeit der Apartheid definitiv erfahren. In solchen Momenten schuf der Klang andere Welten und transzendente Räume. Ich glaube, dass Klang nicht nur gesellschaftliche Anliegen zum Ausdruck bringen kann, er vermag auch metaphysische Sphären zu schaffen, die nicht von den Geschehnissen der Welt beeinträchtigt sind. Das hat mit dem Klangverständnis unserer einheimischen Kulturen zu tun, nach dem Musik ein Raum für Meditation und Heilung ist. Musik zu machen, bedeutete in diesem Kontext, den Geist nach dem Übernatürlichen auszurichten, um dem Körper Transzendenz zu ermöglichen. Klänge kamen bei Ritualen zum Einsatz, um die Begrenzungen des Verstandes zu überwinden.
Sie betonen in Interviews und Covertexten oft die furchtbare Ausbeutung, die Afrika durch europäische Kolonialmächte erfahren hat. Mit welchem Gefühl treten Sie angesichts dessen vor einem weißen Publikum auf?
Makhathini: Es ist wichtig anzuerkennen, dass ein Begriff wie Rasse ein Konstrukt ist, etwas, das erschaffen wurde, um Macht zu regulieren: Hegemonie und Peripherie. Es ist traurig, dass Afrika Katastrophen erleiden musste, die mit dieser „sozialen Ordnung“ über den Kontinent hereinbrachen. Das ist eine Tatsache, aber ich glaube, dass Klänge tiefer gehen als die Begrenztheit solcher Konstrukte. Klänge erzeugen Metaphern dafür, wie Menschen in dieser Welt harmonischer zusammenleben können. Im Wesentlichen befürworte ich das, was ich „relationale Philopraxis“ nenne – eine Einladung an alle Menschen, Teil eines neuen Humanismus zu werden.
Nduduzo Makhathini
Nduduzo Makhathini, geboren 1982, ist der erste südafrikanische Musiker, der einen Plattenvertrag bei dem legendären Jazz-Label Blue Note Records erhalten hat.
Er hat am Durban Institut of Technology ein Musikstudium absolviert. Seit 2014 hat er zehn Alben veröffentlicht.
Bei Enjoy Jazz ist Makhathini zum dritten Mal zu Gast, in diesem Jahr als Artist in Residence. Er eröffnet das Festival am 2. Oktober mit Vijay Iyer an zwei Klavieren im BASF-Feierabendhaus Ludwigshafen.
Am 5. Oktober tritt er mit seinem Trio in der Alten Feuerwache Mannheim auf. Am 6. Oktober gibt er im Karlstorbahnhof Heidelberg ein therapeutisches „Well-Being Concert“. gespi
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