Mannheim. Ach, die Liebe! Gigi D’Agostino hob sie 1999 in „L’amour toujours“ in den Italo-Dance-Himmel, und hier, auf dem Mannheimer Franklin Field Platz, tanzen zwei schillernde Gestalten zu den Klängen der DJ-Hymne und läuten damit einen Festreigen hochschlagender Herzen ein. Der eine trägt einen Mantel in Maulwurfpelz-Optik, Lacklederhose und Sonnenbrille, der andere transparentes Gaze-Grün, hohe Stiefel über Hotpants und Menjou-Bärtchen: Oberon und Puck sind’s, der Elfenkönig und sein kecker Hofnarr. Wobei es Ersterem, bei aller charismatischen Lässigkeit, die er besitzt, an Autorität zu gebrechen scheint: „Die sollen alle vor mir niederknien“, fordert er vergeblich vom Publikum ein, das sich vor dem Theatertruck des Mannheimer Nationaltheaters versammelt hat, um der Premiere von Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ beizuwohnen.
Gaukelspiel feinster Güte
Regisseur Jakob Weiss (Dramaturgie: Kerstin Grübmeyer) hat die Komödie für die fahrende Bühne inszeniert, wozu kühne Striche gesetzt und die Handlung auf sechs (respektive sieben - es gibt einen großartigen Kurzauftritt von Oberon-Gattin Titania) Personen reduziert wurde. Dabei setzen Robin Krakowski (Puck) und Patrick Schnicke (Oberon) als glamouröses Gespann den Rahmen, durch den sich Almut Henkel, Ragna Pitoll, Boris Koneczny und Jacques Malan mit wunderbarer Bravour bewegen. Kurz erinnert: Hermia und Lysander wollen zusammen sein, dürfen aber nicht, weil es ihrem Vater und dem Athener König nicht gefällt. Sie fliehen in den Wald, wo sich auch Demetrius (den Hermia heiraten soll und der nun ziemlich sauer ist) und Helena (Freundin von Hermia und in Demetrius verliebt - er aber nicht in sie) aufhalten. Oberon, der Ehekrach mit Titania hat, beauftragt Puck, den Saft einer Liebesblume zu verstäuben, was einiges an Verwirrung stiftet.
Wie das und was da auf der Bühne passiert, ist immer wieder hinreißend komisch, und das hat auch mit Elena Gaus’ Kostümen zu tun: Pitolls Hermia erscheint wie eine Verbindung von Lady Gaga und „Vogue“-Chefin Anna Wintour, Konecznys Lysander erinnert an eine Prinz-Eisenherz-Spielkarte, Henkels Helena an eine in Hollywood an Land gegangene Meerjungfrau Arielle. Und als Malan die Bühne betritt, sein Demetrius bestürzend konsequent in Beige nach Art eines Athener Hobbits gekleidet, lässt das einen um Atem und mit den Lachtränen ringen. Als aber der verzauberte Verstand der Protagonisten Kapriolen schlägt und die Herzen wandern, da wandern auch die Darstellenden kreuz und quer durch die Rollen - allein die Perücke, über den nun mit dem Bühnenbild abgestimmten Kostümen (Dessin: „Psychedelische Wisteria“) zeigt, wer gerade wer ist. Das wird von den sechs so lust- wie hingebungsvoll gespielt, und bei aller kräftig aufgeschüttelten Reduktion des Stoffes bleibt hier doch immer Shakespeare auf festen Füßen stehen: ein Gaukelspiel feinster Güte und ein großes Theatervergnügen.
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