Das Porträt

Nähmaschine als wichtigstes Werkzeug für Mannheimer Künstlerin

Rätsel in Stoff und Papier: Die Mannheimer Künstlerin Katinka Eichhorn schafft mit einer Nähmaschine unergründliche Werke. Derzeit sind ihre Arbeiten im Heidelberger Kunstverein zu sehen

Von 
Susanne Kaeppele
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Lebt und arbeitet in Mannheim: die Künstlerin Katinka Eichhorn. © Manfred Rinderspacher

Rätselhafte Formen finden sich derzeit im Studio des Heidelberger Kunstvereins, sowohl hängend als auch an der Wand befestigt. Meilenweit entfernt von unseren gängigen Vorstellungen vom Bild im Rahmen, von einer bemalten Leinwand, die erkennbare Spuren der Wirklichkeit bietet. Nichts davon. Auch keine verständliche Dreidimensionalität, die auf Plastik verweist. Stattdessen hängender, farbiger Stoff in ungeklärten Umrissen und nicht näher erläuterte Farbstiftzeichnungen. Diese Rätselhaftigkeit ist sehr sanft und freundlich und bleibt zumeist vollkommen unerklärlich. Aber was hat es damit auf sich? Diese Frage versuchen wir in einem persönlichen Treffen mit der Künstlerin Katinka Eichhorn zu klären, die wegen eines Künstlergesprächs im Heidelberger Kunstverein aus Litauen angereist kam.

In dem großen Atelierhaus im Mannheimer Hafen haben auch andere bekannte Künstlerinnen und Künstler wie Werner Degreif oder Myriam Holme ihre Arbeitsplätze. Kalt ist es hier, nicht geheizt, nach einer Stunde ziehen wir in die beheizbare Küche um – aber dafür ist der Atelierraum sehr günstig. Im Hauptraum steht auch ihre Nähmaschine, eine billige, wie Katinka Eichhorn lachend erklärt, denn sie näht auch dicke Stoffe und braucht nicht viele Sticharten. Aber wie kam es dazu, dass sie, statt zu malen und zu zeichnen, näht?

Katinka Eichhorn hat nach dem Studium an der Akademie in Karlsruhe ein Erasmus-Semester in Wien verbracht und noch im letzten Semester mit dem Studium von Russisch begonnen, weshalb sie jetzt auch in Litauen ist.

„Stoff ist mein Hauptmaterial“, sagt die Künstlerin, „er gibt mir viele Möglichkeiten. Ich mache aber immer viele Zeichnungen davor und ich sammle Fotos und Zeichnungen in kleinen Heften, danach wird es manchmal übertragen auf den Stoff.“ Ihre Arbeiten verdanken ganz viel der Linie, dem Zeichnen. „Mit Stoff kann man nicht so spontan arbeiten, da muss man viel zeichnen davor, damit es funktioniert.“

So vermittelt sich eine ganz spezielle Sicht auf die Dinge: „Und es bildet einen Raum wie eine Kuppel um mich, wenn ich nähe, man ist dann sehr fixiert auf die eine Stelle, wo die Maschine gerade die Nadel setzt, sehr konzentriert“, erzählt die Künstlerin. Das sei ein guter Kontrast zur Zeichnung, die luftig und spontan sei. An der Akademie hat sie viel gezeichnet, aber sie brauchte etwas, das etwas länger dauerte, bis es fertig ist: „Ich brauche das, dass es sich zieht, damit ich zufrieden bin“, sagt die Künstlerin vergnügt.

Sehr überraschend wirkt eine gelbe Arbeit, die sie für eine thematische Ausstellung unter dem Motto „Liebe und Kapitalismus“ (Titel: Ich hab dich zum Fressen gern) genäht hat: „Sie ist gegenständlich, aber nicht richtig erkennbar, trotzdem verliere ich nicht meine Arbeitsweise.“ Das Werk erinnert an eine seltene Orchideenart, die mit einem Becher darunter die Insekten aufsammelt, die wiederum durch den Duft angelockt und betört werden. „Wenn man es sieht und nicht versteht, dann ist der Betrachter ausgeliefert, er muss das verwerfen, was er im Kopf hat“, sagt Katinka Eichhorn.

Die Künstlerin zeichnet aber auch Strukturen mit Farbstift, durch das Stricheln entsteht Bewegung und es kommt zum Eindruck von etwas Fellartigem: „das Haptische zeichnerisch vermitteln“ – so erklärt sie es.

Sehr, sehr ungewöhnlich ist der Anblick der Verbindungsteile: Sie sehen aus wie das übliche hellgelbe Kreppklebeband, dabei handelt es sich um eine rein zeichnerische Form. Das wirkt dann sehr seltsam und merkwürdig. Dann hängt eine weitere unerklärliche Arbeit an der Wand, sie scheint Tentakeln zu haben – aber die Künstlerin hat Watte in den Stoff gepackt, „weil ich wollte, dass es etwas behäbiger aussieht“, ein Teil hängt an der Wand und ein anderes liegt auf dem Boden davor ...

Von Katinka Eichhorn, gerade Ende 20 und schon auf einem feinen Weg, wird man noch viel hören.

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