Konzert in der SAP Arena (Mit Fotostrecke und Video)

Mutige Madonna mag "Schnitzel"

Von 
Jörg-Peter Klotz
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Madonna ringt zu Beginn ihrer Show in der Mannheimer SAP Arena mit einer kleinen Armee aus Fantasy-Kriegern.

© Rinderspacher

Für ihre Verhältnisse ist Madonna fast schon pünktlich: Um 22.55 Uhr startet sie ihre Show in der ausverkauften Mannheimer SAP Arena. Zu Anfang lässt die Pop-Königin ihre Regierungserklärung "Iconic" (ikonisch) von einer anderen Ikone auf der Leinwand verkünden, nämlich Ex-Boxweltmeister Mike Tyson: "I'm the best the world has ever seen. I'm somebody you'll never forget 'cause I work hard and sweat in my tears. I'm never falling again and if I did, I'd come back" ("Ich bin das Beste, das die Welt je gesehen hat. Ich bin jemand, den du niemals vergisst, weil ich hart arbeite und in meine Tränen schwitze. Ich werde niemals wieder stürzen - und wenn doch, komme ich zurück.")

Die 57-Jährige fährt während der ersten Songs, die wie "Bitch I'm Madonna" überwiegend vom aktuellen Album "Rebel Heart" stammen, eine bildgewaltige Show der Superlative auf, wie sie die vor zehn Jahren erbaute SAP Arena nur bei Justin Timberlake, George Michael oder Pink gesehen hat: Zunächst schwebt sie in einem Käfig auf die Bühne herab, sprengt wie gewohnt alles, was sie fesselt, und kämpft mit einer brillant tanzenden kleinen Armee aus Fantasy-Kriegern - erst sehen sie aus wie mit riesigen Kreuzen bewaffnete Schweizergardisten aus dem Vatikan, später wie futuristische Samurai.

Plädoyer für universelle Spiritualität

Und wie üblich geht die Popikone nach dem geradeaus gerockten "Burning Up" aus dem Jahr 1983 auf religiöse Symbole los: Bei "Holy Water" mit Einsprengseln des Klassikers "Vogue" führen ihre nur spärlich mit Nonnen-Kostümen bekleideten Tänzerinnen frivole Stangentänze auf, beim folkigen, von Tauf-Bildern geprägten "Devil Pray" taucht plötzlich die Kulisse des letzten Abendmahls auf und Madonna lässt quasi die Weltreligionen miteinander tanzen - offenbar ein Plädoyer für eine universale Spiritualität. Mit dem Video-Einspieler "Messiah" endet der Block mit den größten Schauwerten des zweistündigen Auftrittes.

Danach fällt "Body Shop" erstmal ab. Aber Madonna ist (wie vorab ihr Veranstalter Marek Lieberberg) souverän genug, sich für die massive Verspätung zu entschuldigen. Wobei: Wenn man sieht, mit welch gigantischen Apparaturen die spektakuläre Bühnenproduktion aufwartet, wundert man sich fast, dass der Aufbau am Tag direkt nach einem Konzert im 420 Kilometer entfernten Antwerpen halbwegs rechtzeitig vonstatten ging. Die Stimmung - seit Paris bei Großveranstaltungen generell etwas gedämpft - leidet auch eine Weile unter den Folgen der langen Wartezeit: Manch einer ist verständlicherweise mit den Gedanken mehr beim Babysitter oder dem morgendlichen Wecker. Erst nach dem akustisch gehaltenen, mehrstimmig arrangierten "True Blue" kommt bei "Deeper And Deeper" allmählich die ekstatische Stimmung bei den über 10 000 Zuschauern auf, die zum Gastspiel eines Weltstars gehört.

Und als Madonna auf dem gigantischen Catwalk, der - natürlich in Kreuzform und mit mehrdeutiger Pik-Spitze - fast bis zum Mischpult reicht, fast allein das intime "HeartBreakCity" und dann solo eine wuchtig rhythmisierte Version von "Like A Virgin" interpretiert, zeigt sie, was Bühnenpräsenz bedeutet. Generell beweist die topfitte Popkönigin viel Mut, wenn sie später bei einer puristischen Akustikversion von "Who's That Girl" fast in Joan-Baez-Manier und Edith Piafs Jahrhundertballade "La Vie en Rose" weitgehend auf Effekte und Einbettung in Backgroundgesang verzichtet.

Patrick fängt den Brautstrauß

Rund um "Rebel Heart", dem Titelsong der Tournee, wird die Show zum einzigen Mal politisch. Auf entsprechende Zurufe reagiert Madonna mit "Natürlich möchte ich die Welt retten. Aber Ihr müsst mir dabei helfen. Hinterlasst Eure Telefonnummern am Eingang." Und der elfjährigen Celine gab sie mit auf den Weg, dass es für sie ja eigentlich längst Schlafenszeit sei, "aber Deine Mama hat Dich zum richtigen Konzert gebracht. Denn man ist nie zu jung für ein rebellisches Herz!" Bei den puristischen Solo-Gesangseinlagen mag nicht jeder Ton tausendprozentig sitzen, aber das sind schon große Momente, die die Illusion von Intimität wecken.

Die bekommt vor allem Patrick aus Karlsruhe zu spüren, der nach dem umwerfend inszenierten "Material Girl" den Brautstrauß fängt - und von Madonna dezidiert auf seine Eignung als ihr Ehemann Nummer drei abgeklopft wird ("Hast Du ein Auto? Hast Du einen Job? Bist Du . . . gut? Und reinlich?"). Als er ihr keinen Spitznamen verrät, tauft sie ihn zärtlich "Schnitzel" ("das mag ich wirklich"), und der "Running Gag" des Abends ist geboren. Zum Schluss des regulären Sets darf der Karlsruher zu "Unapologetic Bitch" noch mittanzen und - etwas schwerfällig - über Madonnas Witze auf seine Kosten lachen ("Das macht Dich zum dritten Mann, der kein Wort von dem versteht, was ich sage").

Um 1 Uhr endet der Abend mit einem mitreißenden "Holiday", bei dem es auch im Oberrang kaum noch jemanden auf den Sitzen hält. Die SAP Arena kann stolz auf das Filetstück ihres Jubiläumsjahres sein - dank einer bestens aufgelegten, modisch absolut geschmackssicheren Madonna und ihrer spektakulären Show, aus der das ins Harlem der 1920er versetzte "Music" herausragt. Schade nur, dass durch die Verspätung Stücke wie "Dress You Up", "Like A Prayer" oder das zum Folk-Teil gehörende "Don't Tell Me" nicht zur Aufführung kommen.

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