Ob blutiger Krieg, soziale Ungerechtigkeit, unfähige Politiker oder Lebensmittelskandale: Fast jeder ärgert sich über irgendetwas. Der internationale Wettbewerb "Mut zur Wut" gibt kreativen Köpfen die Chance, ihrem Ärger in Form von Plakaten Luft zu machen. Die 30 Siegerplakate, welche eine fünfköpfige Jury aus 2120 Einsendungen gekürt hatte, zierten bereits die Heidelberger Innenstadt. Initiiert wurde die Aktion von dem Grafikdesigner Götz Gramlich und dem Werbefachmann Marcello Lucas. Seit gestern können die Siegerplakate sowie die Top 100 auch im Heidelberger Justizgebäude begutachtet werden. In Mannheim werden die 130 Exponate in der Alten Feuerwache gezeigt.
Politische und soziale Missstände
Der Löwenanteil ist politisch orientiert. Mit der Unterdrückung des nordkoreanischen Volkes beschäftigt sich das gelungene Werk "Der Aufgeblasene". Auf schwarzem Hintergrund ist eine mit rotem Stift gezeichnete Frau zu sehen, deren Mundwinkel von einem Luftballon, wie bei einer Marionette, in die Höhe gezogen werden. Der Ballon trägt das ausdruckslose Gesicht des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong Un. "Gute Miene zum bösen Spiel", ist die lakonische Erklärung.
Simpel aber effektiv: Lediglich mit einer Rasierklinge auf schwarzem Grund will Javier Peréz die Öffentlichkeit auf die Beschneidung von Frauen aufmerksam machen. Die Absicht gelingt. Das Blut in den Adern gefrieren lässt auch das Plakat "Leistung über Leben": Eine gestreifte Krawatte, die eindeutig als Strick zweckentfremdet wird, zeigt schonungslos, dass zahlreiche Suizide durch Überarbeitung motiviert sind. Überwachung durch den Staat, was nicht zuletzt durch den jüngsten NSA-Skandal, die Gemüter erregt, ist leider zum Alltag geworden. "Dieses Plakat wird videoüberwacht", warnt das "Staatsplakat". Der Titel "Big Brother is watching you" ist mehr als nur ein Zitat aus George Orwells Roman "1984". Ein Scherenschnittmädchen wird nicht nur von mehreren Kameras gefilmt, sondern gleichzeitig per Satellit über das Handy geortet.
"Gehaltserhöhung" begegnet dem Thema Gleichberechtigung mit schwarzem Humor. Die Worte "Wir basteln uns eine Gehaltserhöhung" stehen unter einem männlichen Geschlechtsteil, das man wie Papier ausschneiden kann. Ein wenig farblos wirkt daneben das Poster "Me and all the Things I love", welches die Welt als Sammelsurium von Egoisten darstellt. Zu sehen ist ein Strichmännchen in Form einer Birne. "Une Vache?", das über einem Pferd mit Kuhflecken steht, soll vermutlich eine Anlehnung an "La Trahison des Images" von René Magritte sein. Allerdings bleibt dem Betrachter die Aussage des Künstlers schleierhaft.
Leider nicht unter die 30 Sieger, aber unter die besten 100 Motive hat es das Plakat "Pizza Napoli" geschafft. Italiens ehemaliger Ministerpräsident Berlusconi beißt lächelnd in ein Stück Pizza. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der Belag als Foto von Müllbergen. Und ein Plakat, das eine Saftpresse mit dem Konterfei von Kanzlerin Angela Merkel samt Zitronenschale auf dem Kopf zeigt, ironisiert den Bildtext "Ich bin alternativlos" gekonnt. Die Überschrift "Wut tut gut" könnte man auch als inoffizielles Motto der Schau sehen.
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