Klassik - Schütz’ Matthäus Passion an Melanchthon

Mit jungen Stimmen

Von 
Stephan Hoffmann
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Leitet sensibel: Melanchthon-Kantorin Beate Rux-Voss © Manfred Rinderspacher

Beim Begriff Matthäuspassion denkt man zuerst ganz automatisch an Johann Sebastian Bach und seine geniale Vertonung der Leidensgeschichte Jesu, wie sie der Evangelist Matthäus überliefert hat. Doch schon 60 Jahre vor Bach hat Heinrich Schütz den gleichen Text vertont.

Die Unterschiede sind gewaltig: Zwei Chöre, Solistenquartett plus großes Orchester nebst Generalbassgruppe bei Bach, zwei Solisten und eine Handvoll Sänger ohne ein einziges Instrument bei Schütz. Die Folge: Über weite Strecken hat man es mit unbegleitetem Sologesang zu tun, wobei der Löwenanteil auf den erzählenden, aber nicht unbeteiligten Evangelisten entfällt. Als Musicus poeticus wurde Schütz oft bezeichnet, gemeint ist damit seine Fähigkeit, der Textbedeutung bis in die feinsten Verästelungen musikalisch nachzuspüren.

Mit Klang übersetzt

Das bedeutet eine beträchtliche Herausforderung für die Interpreten des Werkes. Zunächst einfach deshalb, weil es nichts gibt, wohinter sie sich verstecken könnten. Dann aber auch, weil sie diese Form der Textauslegung in Klang übersetzen müssen – allein, ohne jede Unterstützung. Nun gibt es an der Mannheimer Melanchthonkirche eine musikalische Unternehmung, die sich an ein solches Projekt wagen kann. „Barock vokal – Young Voices“ nennt sich das Sänger-Ensemble unter Leitung von Beate Rux-Voss, das bei der Aufführung der Matthäus-Passion aus einem Doppelquartett ausgebildeter Stimmen bestand.

Dieser Chor bestreitet den Eingangs- und Schlusschor, dazu die Chöre etwa der Juden oder der Hohenpriester – oft extrem kurze Einwürfe, was große Reaktionsschnelligkeit voraussetzt und ein beträchtliches Stimmniveau ohnehin. Christoph Wittmann war ein wunderbarer Evangelist, lebendig, technisch makellos und mit einer raumgreifenden, emotional berührenden Stimme. Julius Steyer sang die Christusworte eher sanft und zurückhaltend. Beate Rux-Voss, seit 2021 Kantorin an der Melanchthonkirche, leitete die Aufführung sensibel und hochkonzentriert.

Heinrich Schütz’ 350. Todestag wird in diesem Jahr begangen, aus diesem Grund ist in der Melanchthonkirche ein weiteres Konzert mit seiner Musik geplant. Mit dieser Matthäuspassion haben die Interpreten ihre Qualifikation hinlänglich bewiesen.

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