Das Konzert beginnt mit einem einzelnen Ton. Eine geraume Zeit lang wird er wiederholt angeschlagen, wie wenn’s ein Morsezeichen wäre. Dessen Bedeutung bleibt freilich zunächst verschlossen, nur dem Musiker selbst verständlich. Es ist die Einstimmung auf das, was folgen wird.
So ganz unvorbereitet trifft einen das aber nicht. Denn der Pianist aus Zürich ist kein Unbekannter beim Festival Enjoy Jazz. Mit seiner Gruppe Ronin war er hier öfter schon zu Gast; unvergessen ein Nachtkonzert in Heidelberg, das ohne Unterbrechung von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang gedauert hat. Mit Extremem muss einfach gerechnet werden bei Nik Bärtsch.
Wiederholungen haben Methode
Nicht anders bei seinem Solo-Auftritt jetzt in der Friedenskirche Ludwigshafen; an einem Flügel, der auf seinen Wunsch hin nicht durch Mikrofonabnahme verstärkt ist. Rein akustisch also lässt sich das Spiel auf den Tasten verfolgen. Und dabei wird allmählich deutlich, dass Wiederholungen bei Nik Bärtsch Methode sind.
Das kann trillerartig Flirrendes von der rechten Hand sein; oder auch Vergleichbares mit der Linken. Über oder unter dieser Gleichförmigkeit allerdings tut sich was, herrscht Bewegung, wenn die jeweils andere Hand simple Tonfolgen zu Sequenzen ausbaut, sie um jeweils einen Halb- oder Ganzton zumeist in Richtung der Bassregion verschiebt. Und sich dafür alle Zeit der Welt herausnimmt, ohne jede Hast agiert.
Das schafft eine eigenartige Form musikalischer Spannung, die sich auch, und gerade, im Zeitlupentempo der Veränderungen mitteilt. Jähe Ausbrüche kommen trotzdem vor. Vor allem dann, wenn Bärtsch ins Innere des Flügels greift, manche seiner Saiten direkt bearbeitet. Was zu gellenden Zwischentönen führt, einmal auch zu aufrüttelnd hörbaren Obertönen.
Alles in allem genommen wohl ein Musterbeispiel von Minimal Music; an einem Instrument, das am Ende schöner zu klingen scheint als zu Beginn, nach einer Stunde nachhaltig suggestivem Klavierspiel.
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