Schauspiel: Eberhard Streuls neues Stück uraufgeführt

Mendelssohn und deutsche Geschichte

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Aus einem vergoldeten Rahmen steigt er heraus, roter Samt verkleidet die Bühne: Richard Wagner (Frank Peter Dettmann) mit Barett und arroganter Miene. Mitten unter die Insignien des Bildungsbürgertums tritt er, zwischen Kerzenhalter, Flügel und Chaiselongue, und liest aus der unsäglichen Schrift "Über das Judentum in der Musik" - Polemik gegen Felix Mendelssohn Bartholdy.

Der Mannheimer Autor Eberhard Streul geht in seinem Stück "O Täler weit, o Höhen" der Rezeptionsgeschichte Mendelssohns und seines Werks nach. Jetzt wurde es unter viel Beifall an den Städtischen Bühnen Münster uraufgeführt. Ausgehend von dem Streit um die Leitung der Berliner Singakademie - Mendelssohn wurde als protestantisch getaufter Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie abgelehnt - fächert Streul ein Szenario auf, das über das Dritte Reich in die Jetztzeit reicht. Mendelssohn Bartholdy, so Streuls These, hat in seinen Liedern sämtliche für die Schicht und Zeit wesentlichen Topoi verfestigt, war aber stets persona non grata. Peter Meiser am Flügel spielt die Lieder, das Ensemble singt burschikos.

"O Täler weit, o Höhen"

Die Mendelssohns sind eine Familie mit Zusammenhalt: Man musiziert, veranstaltet Maskenspiele. Fanny Hensel (Stefanie Kirsten) steht dem Bruder (Thomas Kellner) als Gefährtin zur Seite. Christoph Tiemann spielt Philipp Eduard Devrient, der in der Aufführung der Bach'schen Matthäuspassion den Jesus sang. Das Ensemble taucht in Naziuniformen wieder auf: Streul lässt Offiziere "O Täler weit, o Höhen" proben. Als ein jüdischer Häftling darauf hinweist, dass ein Jude das Lied komponierte, wird er zusammengeschlagen. Den Schluss macht ein Fest in der Deutschen Bank, die 1938 die Mendelssohn-Bank übernahm. Eine Aufführung des Liedes wird abgesagt. "O Täler weit, o Höhen" ist ein didaktisches Stück und zugleich scharfe Kulturkritik. ski

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