Die Documenta in Kassel wird vom nächsten Eklat erschüttert: Zwei wichtige Akteure ziehen sich zurück. Am Freitag gab zunächst der Leiter der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel, bekannt, er stehe der wegen antisemitischer Darstellungen heftig kritisierten Schau nicht länger beratend zur Seite. Später erklärte die deutsche Künstlerin Hito Steyerl ihren Rückzug von der Ausstellung. Mit ihr zieht eine der international wichtigsten Künstlerinnen ihre Arbeiten von der 15. Documenta ab.
Die in Berlin lebende Steyerl gab ihren Entschluss in einer Mail an die Kunstausstellung in Kassel bekannt. Die 56-Jährige begründete ihren Schritt mit dem Rückzug Mendels von seiner Beratertätigkeit. „Ich werde mich nicht mehr an der ,documenta fifteen’ beteiligen“, schrieb Steyerl. Sie habe kein Vertrauen in die Fähigkeit der Documenta-Verantwortlichen, Komplexität zu vermitteln und zu übersetzen. „Dies bezieht sich auf die wiederholte Weigerung, eine nachhaltige und strukturell verankerte inklusive Debatte rund um die Ausstellung zu ermöglichen, sowie auf die faktische Weigerung, Vermittlung zu akzeptieren.“
Anträge im Bundestag abgelehnt
Zuvor hatte die Bildungsstätte Anne Frank Mendels Rückzug verkündet: „Seit vor mehr als zwei Wochen eine Arbeit mit offen antisemitischer Bildsprache mitten in Kassel ausgestellt wurde und die Documenta angekündigt hatte, von Antisemitismusexpert*innen, unter anderem unserem Direktor Meron Mendel, prüfen zu lassen, ob noch weitere Werke mit antisemitischen Motiven auf der Schau vertreten sind, ist wenig passiert“, teilte das Frankfurter Bildungs- und Beratungszentrum mit. „Meron Mendel hat deshalb sein Angebot, die Documenta in der Sache zu beraten, zurückgezogen, nachdem die Generaldirektorin weder geeignete Rahmenbedingungen geschaffen noch ein angemessenes Tempo an den Tag gelegt hat.“
Bereits ein halbes Jahr vor dem Beginn der „documenta fifteen“ waren Antisemitismus-Vorwürfe gegen das indonesische Kuratorenkollektiv Ruangrupa laut geworden. Kurz nach der Eröffnung der Schau wurde dann eine Arbeit mit antisemitischer Bildsprache entdeckt. Das Banner „People’s Justice“ des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi wurde daraufhin abgehängt. Die Organisatoren hatten als Konsequenz unter anderem angekündigt, alle weiteren Werke mithilfe externer Experten, darunter auch Mendel, auf antisemitische Inhalte zu prüfen.
Am Donnerstagabend befasste sich auch der Bundestag mit dem Thema und stimmte über zwei Anträge von CDU/CSU und AfD ab. Die CDU/CSU sprach sich unter anderem für die Einsetzung einer unabhängigen Untersuchungskommission aus, die Fehlentscheidungen sowie personelle Verantwortlichkeiten benennen sollte. Außerdem forderte sie, Planungen für die nächste Documenta in fünf Jahren zurückzustellen, bis der Skandal aufgearbeitet sei. Der AfD-Antrag beinhaltete Rücktrittsforderungen gegenüber der Documenta-Generaldirektorin Sabine Schormann. Beide Vorlagen wurden mehrheitlich vom Parlament zurückgewiesen.
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