Moderator Jan Köppen trifft im Mozartsaal des Mannheimer Rosengartens ins Schwarze, als er die beiden Komponisten John Williams und Hans Zimmer als „Genies“ ihrer Zunft bezeichnet. Denn wie kaum zwei andere haben sich die beiden vielprämierten Notensetzer darauf verstanden, aus Musik für den Film mehr zu machen als Beiwerk, das als akustisches Additiv bestenfalls zur Kenntnis genommen wird.
Das Pilsen Philharmonic Orchestra hat diesen Abend daher auch ganz bewusst diesen beiden Granden gewidmet, die jeder für sich durch ihre Suiten imponieren - und das auf zutiefst unterschiedliche Art und Weise. Denn während allein die szenischen Melodien aus „Star Wars“ genügen, um zu belegen, wie fein und ziseliert ein John Williams seine Motive durch die Instrumentalgruppen wandern lässt, offenbart die „Gladiator“-Suite aus den Händen von Hans Zimmer eine offen vorgetragene Leidenschaft zu Fläche, Größe, Anmut - und Überwältigung.
Die Reihen sind prächtig gefüllt
„In der Filmmusik darfst du keine Zeit verlieren, du musst dem Zuhörer sofort begreiflich machen, wo du ihn hinführen willst“, wird Dirigent Ben Palmer seinem Publikum im Gespräch mit Moderator Köppen mitteilen. Dass er nur Augenblicke später auch unter Beweis stellt, dass er diesem Anspruch verdichteter, strahlend heller Klarheit gerecht zu werden vermag, verwundert kaum. Denn wer diesen Klangkörper und den dazugehörigen Chor in den zurückliegenden Jahren bei einem von zahllosen Filmmusik-Tourneeformaten zu Gehör bekam, weiß genau: Hier wird kein Ton verschwendet, kein Forte ohne den entscheidenden Einsatz gespielt, keine Klangfarbe geschmälert. Vielleicht liegt es genau daran, dass prächtig gefüllte Reihen zur Kenntnis nehmen dürfen, wie wirkungsvoll bereits kurze Themen aus dem „Weißen Hai“ (Williams) und „Sherlock Holmes“ (Zimmer) fantastische Klangwelten andeuten, in die wir mit den tiefgreifenden Harmonien von „Harry Potter“ oder „Dune“ schließlich in aller epischen Breite eintauchen dürfen.
Ab der ersten Minute überzeugend
Was dieses berückende Konzertprojekt dabei so wirkungsmächtig macht, ist nicht nur das dramaturgisch-inhaltliche Kaleidoskop, das von der Leichtigkeit des Fliegens in „E.T.“ nicht weniger berichtet wie von düsteren Religionsmythen aus „Da Vinci Code“. Mit welcher Selbstverständlichkeit eine vertraute Einheit aus Moderator, Dirigent, Orchester und Chor dieses Programm gestaltet und bisweilen sogar mit humorvollem Augenzwinkern versieht, überzeugt ab der ersten Minute. Jan Köppens herrliche Satire auf das Zwei-Ton-Leitmotiv aus dem „Weißen Hai“ ist da nur eines von vielen Beispielen, an denen man festmachen kann, dass hier mit Lust und Gestaltungswillen Kunst geschaffen, anstatt nur reproduziert wird.
Unterhaltend und berührend
Auch ein begeistertes Publikum legt durch seinen Jubel Zeugnis davon ab, wie sehr routinierte Klassik-Gänger im Anzug, aber auch junge Gäste in Tanktop und Kapuzenpullover derart souveränes Understatement zu würdigen verstehen. Dass zum Finale mit dem „König der Löwen“ eines der Juwelen der Filmmusikgeschichte erklingt, ist daher doppelt sinnträchtig. Einerseits, weil wir uns erinnern dürfen, dass dieser Abend sowohl unterhielt als auch berührte, andererseits aber auch, indem spürbar werden darf, dass Filmmusiken von dieser Güte auch ohne das bewegte Bild bestehen - vor allem, wenn sie so herausragend interpretiert werden.
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