Ein paar Stunden, bevor er mit seinen Kumpels von Feine Sahne Fischfilet (FSF) den ausverkauften Mannheimer Maimarktclub in Aufruhr versetzen wird, nimmt sich Jan „Monchi“ Gorkow noch Zeit für ein Herzensanliegen. Mit der Crew des Schiffs luventa10, das im Mittelmeer schon über 10 000 Menschen vor dem Ertrinken gerettet hat, und dem Flüchtlingsrat Baden-Württemberg unterstützt der FSF-Sänger die Infoveranstaltung „Seenotrettung – Solidarität ist kein Verbrechen“ im Jugendkulturzentrum Forum.
Zentrales Thema Flüchtlinge
Der viel zu oft unmenschliche Umgang der Politik mit den Menschen, die nach Europa flüchten, ist das zentrale Thema im FSF-Kosmos, wie sich auch während ihres von maximaler Euphorie der 2500 Besucher getragenen Konzerts am Abend zeigen soll. „Das nächste Lied ist für das Leben und gegen den Tod“, kündigt Monchi gegen Mitte des Auftritts „Dreck der Zeit“ an, den titelgebenden Song ihrer letzten Platte aus dem Jahr 2018 („Sturm & Dreck“). „Menschen sterben vor Europa im Meer. Denn Seenotschiffen wird die Ausfahrt verwehrt“, proklamiert der 32-Jährige: „Spaniens Grenze wird überquert. Man jagt sie und man schießt auf sie. Willkommen im Dreck der Zeit.“
Der Aufstieg von Feine Sahne Fischfilet von einer kleinen Punkband aus Mecklenburg-Vorpommern zu einer der angesagtesten Rock-Attraktionen der Republik ist ohne ihr Engagement gegen Rassismus, Faschismus und für bedingungslosen Humanismus in der Flüchtlingsfrage nicht vorstellbar. Es ist der Markenkern von FSF, die Band-Geschichte, die sie erzählen: Ein paar Punks von der Küste, die als verschworener Haufen den Nazis in ihrer Umgebung trotzen und plötzlich als Band erfolgreich sind – von Schauspieler und Regisseur Charly Hübner wunderbar beschrieben im Dokumentarfilm „Wildes Herz“.
Aber die Rostocker treffen natürlich auch musikalisch den Nerv der Zeit. Verglichen mit dem Garagencharme der ersten Platten ist ihr 2018er-Album „Sturm & Dreck“ ein Quantensprung in Sachen Professionalität. Und bietet genügend erstklassiges Material, von dem FSF live zehren können. Das aktuelle Album wird in Mannheim fast komplett gespielt, schon nach den beiden drängenden Openern „Zurück in unserer Stadt“ und „Alles auf Rausch“ steht im Club niemand mehr still.
Die zweiköpfige Bläserfraktion sorgt für einen lässigen, aber druckvollen Ska-Vibe, nach unzähligen Shows sind FSF ohnehin eine gut geölte Live-Maschine. Auch Monchis grundsätzlich von überschaubarer Qualität gesegneter Gesang präsentiert sich erheblich formverbessert. Trompeter Max Bobzin wird von den Zuschauern im Deichkind-Style auf einer überdimensionierten aufblasbaren Banane (ein charmantes Mitbringsel der Ostdeutschen, besonders für die Fans im Westen) durch den Raum getragen, spätestens beim unkonventionellen Heimatlied „Geschichten aus Jarmen“ ist die Stimmung im Saal auf dem Siedepunkt. Erst brennen vereinzelte Bengalos, bei „Warten auf das Meer“ dann die Feuerzeuge.
Die Nordlichter covern noch den unkaputtbaren Punk-Klassiker „London Calling“ von The Clash, was stilistisch gut zu FSF passt und ihre für gewöhnlich hinter viel Selbstironie versteckten Ambitionen andeutet: Wenn Die Ärzte mit ihrem Abschied kokettieren und Die Toten Hosen in den Herbst ihrer langen Karriere einbiegen, wird das Land irgendwann eine neue Band brauchen, auf die sich irgendwie alle Rock-Fans verständigen können. Und selbst diese Rolle ist Feine Sahne Fischfilet, mittlerweile auch beim erfahrenen Hosen-Management unter Vertrag, nach ihrem kometenhaften Aufstieg in den vergangenen beiden Jahren zuzutrauen.
Bandpause im nächsten Jahr
Für 2020 haben die Rostocker allerdings erst einmal eine Bandpause angekündigt, wenn die letzten Konzerte nach Weihnachten gespielt sind – unter anderem eines in der riesigen Dortmunder Westfalenhalle.
Nach Mannheim dürfen sie auf jeden Fall gerne zurückkommen, nimmt man die frenetischen Reaktionen als Maßstab, die FSF am Ende ihres zweistündigen Auftritts entgegenschlagen. „Wir haben immer noch uns“, die emotionale Hymne an die Freundschaft, und das programmatische „Komplett im Arsch“ beenden einen packenden Auftritt, nach dem sich Monchi gerührt verabschiedet: „Mannheim, einfach nur Dankeschön.“
Angesagte Punkrocker aus Mecklenburg-Vorpommern
- 2007 stieß Jan „Monchi“ Gorkow ohne musikalische Vorbildung als Sänger zur Punkband Feine Sahne Fischfilet (FSF), die Schulfreunde aus der Region um Rostock gegründet hatten.
- Die Band geriet unter anderem wegen polizeifeindlicher Liedtexte und der Beteiligung an Blockaden rechter Demonstrationen ins Visier des Verfassungsschutzes Mecklenburg-Vorpommern.
- Das erwies sich mit der Zeit als verkaufsfördernd: Mit „Bleiben oder gehen“ erreichten FSF 2015 erstmals die Album-Charts, der Nachfolger „Sturm & Dreck“ schaffte es 2018 auf Rang drei. Inzwischen wird die beim Label Audilith beheimatete Band vom JKP, dem Management der Toten Hosen unterstützt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-maximale-euphorie-_arid,1571006.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.de/orte/mannheim.html