Mannheim. „Sorgsam und seriös“ will er arbeiten, so hat Matthias Otto, bekannt als Max Raabe, seine Arbeit mit dem Palast Orchester definiert. Dass diese Seriosität, ja Distinguiertheit am Ende des Konzerts im Mozartsaal des Rosengartens zu „Standing Ovations“ führt, ist eines der Geheimnisse von Raabe und seiner seit zwei Jahrzehnten zusammenspielenden Truppe. In Anzug und Frack mimt Raabe den blasierten Crooner, der diesem brillanten Orchester vorsteht und es geschafft hat, die großen Couplets der 1920er und -30er Jahre originär zu präsentieren, einer Zeit, die immer wieder in ihrer Ästhetik eine Renaissance erfährt. Womit wir bei der Sorgsamkeit wären: Der studierte Bariton, der auch mit 59 näselnd jede Tonhöhe erreicht, legt Wert auf Originalarrangements. Man spielt vom Blatt und der Opener „Ich hör’ so gern Musik“ von Kurt Widmann ist richtungweisend.
Max Raabe, dessen Höchstmaß an Ekstase die hochgezogene Augenbraue ist, der in Gesangspausen aus dem Licht tritt und am Klavier lehnt, ist in seiner pomadisierten Kunstfigur ein Medium für diese zum Teil fast verschollene Musik. All die Chansons, Lieder vom „ewigen Geflecht der Beziehungen und von einer Topfpflanze“, wie Raabe ankündigt, sind Nostalgie, der auch eine zärtliche Naivität innewohnt. Das 12-köpfige Orchester darf sich an vielen Spielarten der komplex arrangierten und dennoch leichtfüßigen Musik abarbeiten, mit Humor als Stilelement. Da fallen beim Bearbeiten des Glockenspiels von Percussionist Fabio Duwentester mal alle Stangen runter, da wird sich zugezwinkert und geflachst, doch dem Klamauk wird keines der Lieder geopfert. Auf der anderen Seite gelingt es den formidablen Musikern (ein Lob auch an die Licht- und die Tonabmischung), den Evergreen „Schöner Gigolo, armer Gigolo“ nicht dem Kitsch auszuliefern.
Raabe hebt durch seine schon fast befremdende mimische Neutralität den eher traurigen Text von Julius Brammer hervor. Sogar im American Songbook blättert er mit dem Cole-Porter-Standard „It was just one of those things“ von 1935. Auch Brecht/Weills „Mackie Messer“ ist im Repertoire, ebenso weitere Werke von Komponisten, die ins Exil flüchten mussten. Sein auf den Punkt spielendes Palast Orchester ist mit Raabe sogar Vertreter des Pops geworden. Das Mannheimer Publikum bekam „Mein kleiner grüner Kaktus“ noch als Zugabe geliefert.
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