Mannheim. Proberäume sind in der „Unesco City of Music“ (deutsch: Musikstadt) Mannheim nur schwer zu finden – und es wird in Zukunft noch schwieriger. 48 Räume, die seit 35 Jahren im sogenannten Powertower auf der Friesenheimer Insel zur Verfügung standen, fallen zum Ende des Jahres weg. Etwa 200 Musikerinnen und Musiker müssen sich andere Möglichkeiten zum Proben suchen, bestätigt der Vermieter, Wolfgang Biersch, auf Anfrage. Der Grund: Das alte Gebäude erfüllt die geltenden Brandschutzregelungen nicht mehr.
Alle fünf Jahre wird eine sogenannte Brandverhütungsschau von der Feuerwehr durchgeführt. „Normalerweise haben wir eine Liste mit Mängeln bekommen, die wir dann behoben haben“, erklärt Biersch. In diesem Jahr habe die Feuerwehr nach einer eigenen Besichtigung verlangt, einen neutralen Brandschutzbeauftragten für ein Gutachten zu beauftragen. Auf Anfrage teilte die Stadt zum Zustand des Gebäudes mit: „Das Gebäude befindet sich brandschutztechnisch in einem kritischen Zustand, so dass aus materiell-rechtlicher Sicht erhebliche Sicherheitsbedenken bestehen.“
250 000 Euro Investition nötig
„Wir brauchen eine flächendeckende Brandmeldeanlage mit direkter Verbindung zur Feuerwehr, Sicherheitsbeleuchtung im Falle eines Stromausfalls, neue Brandschutztüren und neue Rettungswege“, zählt der Vermieter die größten der festgestellten Mängel auf. „Unter einer Viertel Millionen Euro kommt man da nicht weg“, berichtet Biersch von der Einschätzung des Gutachters. Eine Summe, die er auch angesichts der steigenden Energiekosten nicht aufwenden kann. „Ich kann das Geld ja auch nicht auf die Mieter umlegen“, sagt Biersch.
Die Mieter haben Verständnis für die Entscheidung, die Biersch angesichts der Kosten zur Beseitigung der Mängel beim Brandschutz treffen musste, berichten Betroffene. Biersch sei immer ein fairer Vermieter gewesen. „Ich habe die Befürchtung, dass jetzt die Preise für andere Proberäume steigen“, sagt ein Musiker, der anonym bleiben möchte. Wenn er überhaupt noch einen Raum finde.
Wenige Räume noch zu retten
Peter Traub ist mit seiner elf-köpfigen Band New Island Connection bisher im Powertower untergekommen. „Wenn wir keinen anderen Raum finden, müssen wir aufhören“, sagt Traub mit ernstem Blick.
„Es geht jetzt darum, eine Lösung zu finden“, erklärt Schlagzeuger Erwin Ditzner, der seit vielen Jahren einen Raum im Erdgeschoss des Powertowers nutzt. Die Fenster sind von außen mit Metallplatten versiegelt, damit die Instrumente und das Equipment, das in den Räumen lagert, nicht gestohlen werden können. Die in die Platten geschnittenen Notausstiege sind auch auf der Liste der Mängel – diese müssten nun größer gemacht werden.
Proberäume in Mannheim
- Mit dem (teilweisen) Wegfall des Powertowers sinkt die Zahl der Anbieter von Proberäumen in Mannheim weiter.
- Im vergangenen Jahr ging der Anbieter „Nox – Dein Proberaum“ mit voll ausgestatteten und stündlich mietbaren Räumen an den Markt. Nach Informationen des „MM“ gibt es diesen Anbieter nicht mehr.
- Private Anbieter von Proberäumen sind „Pro Music“ mit mehr als 130 Räumen und der „Unit Gewerbepark“ mit 40 Räumen.
- Das Kulturamt Mannheim vermietet acht Räume. jpp
„Noch ist nicht alles verloren“, verrät der Vermieter, „wir kämpfen noch.“ Es sei möglich, zumindest die Räume im Erdgeschoss des Gebäudes zu retten. Der Imbiss in dieser Etage kann bleiben – die Rettungswege erfüllen im Gegensatz zu den Obergeschossen auch die aktuellen baurechtlichen Brandschutzvorgaben. Und die Arbeiten an den Platten vor den Fenstern könne er selbst ausführen. Hier spart er sich Kosten für zertifizierte Monteure, wie sie beispielsweise für die Sicherheitsbeleuchtung oder Brandschutztüren benötigt würden.
Wie die anderen Mieter schaut auch Sönke Laudemann ungewiss in die Zukunft. Er sucht über Aushänge im Gebäude Kontakt zu anderen Musikerinnen und Musikern im Haus. Zusammen möchte er Druck auf den Gemeinderat ausüben. Er sieht die Stadt, die schließlich den Titel „Musikstadt“ der Unesco trägt, in der Verantwortung, Alternativen zu schaffen.
„Die Proberaumsituation für Mannheimer Musikerinnen und Musiker ist aktuell nicht zufriedenstellend gelöst“, äußert sich die Beauftragte für Musik und Popkultur der Stadt Mannheim, Beril Yilmam-Kohl, gegenüber dem „Mannheimer Morgen“. Weiter teilt sie mit: „Der Wegfall der Räume im Powertower ist für viele Musikerinnen und Musiker schmerzhaft und es bedarf alternativer Lösungen.“ Alternative Lösungen, die den Wegfall der Proberäume auf der Friesenheimer Insel kompensieren können, gibt es vonseiten der Stadt jedoch nicht.
Weiter läuft die städtische Proberaumförderung, mit der seit 2016 Musikerinnen und Musiker bei der Finanzierung ihrer Räume unterstützt werden. Auch die Band Hausnummer Sieben, in der Laudemann Schlagzeug spielt, wird von der Stadt gefördert. „Da schießt sich die Stadt selbst ins Bein“, sagt der Musiker. Ohne Proberaum könne schließlich nicht bei der Miete geholfen werden.
Stadt hat kein Geld für akute Hilfe
Die Möglichkeit der Förderung von Vermietern schließt die Stadt derweil aus. Zwar könne dies zu einer Verbesserung der Proberaumsituation führen, „aktuell stehen dafür allerdings keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Verfügung“, so die Popbeauftragte Yilmam-Kohl.
Auch der Vermieter des Powertowers sieht von einem Antrag auf Unterstützung durch die Stadt ab. Er sei zuversichtlich, dass er die Proberäume im Erdgeschoss weiter betreiben könne, erklärt er im Gespräch. Auch für Räume in einem kleineren Gebäude nebenan habe ihm der Brandschutzbeauftragte Hoffnung machen können. Die restlichen Räume in den Obergeschossen werden in Zukunft leer stehen oder, wenn möglich, als Lagerräume verwendet werden, so Biersch.
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