Marianne Faithfulls Aufstieg von der Klosterschülerin zur attraktiven Begleiterin von Mick Jagger und zum Popstar, dann der Absturz in die Drogen und die Wiederauferstehung mit völlig veränderter Stimme - da ist viel Raum für Geschichten. 1965 trällerte sie noch mit glockenklarer Engelsstimme "As Tears Go By", das Jagger und Keith Richards für sie geschrieben hatten. 14 Jahre später brachte sie mit "Broken English" ein reifes Werk heraus, das sich am aktuell populären britischen New Wave orientierte und sie als eigenwillige Interpretin mit brüchiger Reibeisenstimme präsentierte.
Selten sei das Tollhaus so lange hinter einem Termin mit einer Künstlerin her gewesen, wie bei Marianne Faithfull, sagt Bernd Belschner, der die 63-jährige britische Ikone stolz beim Karlsruher Zeltival präsentiert. "An intimite evening with Marianne Faithfull and Doug Pettibone" war der Abend überschrieben - ein intimer Duo-Abend also mit der Sängerin und ihrem amerikanischen Gitarristen.
Alles andere als intim klingt ihr letztes Album, "Easy Come Easy Go", eine Sammlung ausgewählter Coverversionen, aus der sie zunächst einige Songs präsentierte. Was auf der CD, in Orchesterstärke und mit erlesenen Solisten ausgestattet, satt, schräg und wunderbar arrangiert klingt, wirkt auf der großen Bühne arg dünn. Eine sichtlich nervöse, an ihrem dunklen Charleston-Kleid herumzupfende Marianne Faithfull wirkt, als ob die Songs gar nicht zu ihr gehörten. Irgendwie steht sie neben sich und überlässt immer wieder die Bühne ihrem Gitarristen.
Ihre Fans kommen bei dem ausverkauften Konzert natürlich trotzdem auf ihre Kosten. Sie können bei "Down From Dover", "Hold On Hold On" oder "The Crane Wife 3" das schmerzerfüllte Timbre der rauchigen Stimme in sich aufsaugen, das zum einen sicher ergreifend sein kann, auf der anderen Seite aber auch nicht gerade variationsreich ist. Gerne hört man ihr "Broken English" wieder, einer ihrer Hits nach dem "Stimmbruch" 1979. "The Ballad Of Lucy Jordan" schließlich ist ihr prägnantester Hit und mit "As Tears Go By" befriedigt sie auch die letzten Fans.
Doch die Enttäuschung ist groß, als nach kaum mehr als 45 Minuten Schluss sein soll. "Another fucking bear!" brüskiert sie schließlich auch noch einen Verehrer, der ihr einen Teddy und ein Briefchen überreicht. Mit zwei Zugaben, "Sing Me Back Home", das sie auf der CD mit Keith Richards singt, und einem Stück von Tom Waits, besänftigt sie jedoch die meisten Besucher. Allerdings wäre es schön gewesen, für den stolzen Eintrittspreis auch ein Konzert in voller Länge und mit kompletter Band, Streichern und Bläsern geboten zu bekommen, wie es etwa im September in New York der Fall sein dürfte.
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