Kaum ein Ort ist so beladen von Mythen, Geschichten, Bildern und Erinnerungen wie Paris. Hat man je seinen Fuß auf das Pflaster an der Seine gesetzt, bleibt Frankreichs Hauptstadt für viele ein Sehnsuchtsort. Auch für den Schriftsteller Jan Turovski, der als Student in Paris war und seither immer wieder in diese Stadt zurückkehrt. Bekannt geworden durch eine Reihe von Romanen, die in der Mannheimer Edition Andiamo erschienen sind, erschließt Turovski nun im Gedichtband „Fünfter Bezirk“ Paris durch Poesie.
Schon in den Romanen „Sophie fatale“ oder „Madame Bourgin“ erkundete er mit feinem Gespür fürs Atmosphärische die Farben, das Licht, den Geruch und Klang der „Ville Lumière“. Die Gedichte, gruppiert in zwölf Zyklen, lesen sich wie eine „verfeinerte“ Fortsetzung dieser Prosa. In assoziativen Versen, deren Ton und Ausdruck den Leser sofort gefangen nehmen, holt er die frühen Jahre mit ihren Stimmungen und Menschen in die Erinnerung zurück und macht sie sichtbar: „Nichts / ist so unendlich / zinkblau / wie ein / Pariser Morgen / mit dunst- / gestreuter / Sonne …“ (Paris unique).
Rimbaud bleibt präsent
Der Titel seines zweiten Lyrikbands nimmt Bezug auf den ältesten Pariser Arrondissement, das aufgeht im Quartier Latin, wo Turovski längere Zeit gelebt hat. Mit den „Farben der Wörter“ entführt er Leser aber in alle Bezirke, ja sogar in „Toute la France“, und verbindet das Nahe mit dem Entlegenen. Nahtlos geht er zu den Befindlichkeiten der Gegenwart über: „– zwei / Einmotorige / beschwichtigend / im Hitzehimmel / über der leeren / fast schuldigen / Place Contrescarpe …“ (Corona 4/2020). Beim Flanieren durch Passagen und Parks, Friedhöfe und Museen sind stets die gelesenen Bücher präsent, vor allem Rimbaud, oder die Gemälde des befreundeten Malers André Goezu, dem er das Kapitel „Die Worte der Farben“ widmet.
Die Bilder fügen sich wie Splitter zum Kaleidoskop seines Lebens, zahlreiche Aufnahmen von Turovskis Aufenthalt in Paris verstärken die autobiografischen Züge des Bands. Ob er über Liebe dichtet, über Schmerz, Trennung oder Vergänglichkeit – die Verse bestechen durch verdichtete Sprachbilder, die viel über die Macht der Worte aussagen. Man wird verzaubert, auch weil sie eine gewisse Rätselhaftigkeit bewahren und in der Schwebe bleiben.
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