Neue Musik - Donaueschinger Musiktage geben dem Neuen und dem Digitalen Raum

Lebendig trotz Orchestertod

Von 
Maria Hörl
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Ein Mann stapft auf die Bühne, entreißt zwei Orchestermusikern Cello und Violine, knotet diese zusammen, wirft sie auf den Boden und springt darauf herum, bis sie völlig zerschmettert sind. "So sieht die Fusion zweier historisch gewachsener Klangkörper aus!", ruft der junge Komponist und Konzeptkünstler Johannes Kreidler. Es war eine von mehreren Protestaktionen gegen die geplante Zusammenlegung des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg mit dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR. Dieser Beschluss des Rundfunkrats durchzog die gesamten Donaueschinger Musiktage und überdeckte das eigentliche Thema des Festivals für Neue Musik, das sich mit Mensch, Maschine und digitaler Komposition auseinandersetzte.

Während der drei Tage des Musikfestivals mit rund 10 000 Besuchern wurden insgesamt 28 Werke, etwa der Komponisten Bernhard Gander, Beat Furrer, Helmut Oehring und Stefan Prins, uraufgeführt. Unter den Interpreten waren neben dem SWR-Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg und dem SWR-Vokalensemble auch zahlreiche junge Formationen, wie die Gruppe Nike, das Nadar Ensemble, das Ensemble ascolta oder asamisimasa zu finden.

In das Stück "Musik" von Trond Reinholdtsen integrierte der Komponist eine wiederkehrende Lobeshymne, gesungen mit quäkender Stimme, auf den Festivalleiter Armin Köhler. Wie ein Fußballspiel-Moderator leitete er durch sein Stück und führte die wichtigsten Punkte selbstironisch als Powerpoint-Präsentation vor. Damit wolle er kritisieren, dass Stücke unterhaltend sein müssten und es bei Musik oft vorwiegend um Ruhm und Geld gehe.

Gelächter des Publikums

Er trieb die Innovationen der Spieltechnik auf die Spitze, indem er die Pianistin mit Plektrum Klänge am Rand des Flügels erzeugen ließ und zwei Ensemblemitglieder gleichzeitig Luft in quer gehaltene Klarinetten bliesen, laut Reinholdtsen eine erstmalig in Donaueschingen gezeigte Technik. Das Stück erntete vielfach Gelächter des Publikums.

Neben den Konzerten fanden sich in Donaueschingen einige Klanginstallationen, und auch der Karl-Sczuka-Preis für Hörspiel als Radiokunst wurde vergeben. Während der Musiktage hatten fast 190 Studierende aus Europa und etliche Lehrer durch die "music academy" die Möglichkeit, Konzerte kostengünstig zu besuchen und sich mit den Komponisten auszutauschen. Die Donaueschinger Musiktage werden auch trotz Einsparungen und nach der geplanten Fusion der Orchester bestehen. Ob mit diesem neuen Orchester die Qualität gehalten werden kann, ist fraglich.

Freie Autorin

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