Mannheim. Irgendjemand muss für all das bezahlen, steht am Ende als verbindliche Forderung im Raum. Schließlich heißt das Stück, das Bertrand Lesca und Nasi Voutsas beim HereAndNow-Festival im Theaterhaus G7 aufführen, nicht von ungefähr „L’Addition“: die Rechnung. Aber zunächst zurück zum Ausgangspunkt.
Die Performance markiert den Abschluss des viertägigen, biennalen Festivals, zu welchem das Mannheimer Theater seit fast 20 Jahren englischsprachige Produktionen einlädt. Regie führt Tim Etchells, Mitgründer und Leiter der britischen, postdramatischen Performance-Gruppe Forced Entertainment, der das Stück auch zusammen mit Lesca und Voutsas geschrieben hat. Gezeigt wird hier die englische Version einer Produktion für das Festival d’Avignon von 2023.
Haus und Hof sind zur abendlichen Stunde unerhört gut gefüllt, die Stimmung ist blendend, dann, mit dem charakteristischen Geläut der Theaterglocke, wird uns der Weg zum Saal gewiesen. Drinnen ist vor rotem Vorhangstoff ein kleiner runder Café-Tisch zu sehen, davor ein Stuhl und am Bühnenrand ein Beistellmöbelstück, voll von Besteck und Tischdecken.
Gast, Kellner – und ein Glas Wein
Voutsas und Lesca, beide in weißem Hemd, schwarzer Hose, Lederschuhen, erklären in einer (wunderbar witzigen, vertrackt aus- und abschweifenden) Einleitung, was nun geschieht. Kurz zusammengefasst: Einer von beiden spielt den Gast, der andere den Kellner. Der Kellner wird den Gast einen Schluck Wein kosten und für genehm befinden lassen, ihm dann (viel!) zu viel davon eingießen. Das Glas läuft über und unter großem Bohei wird der ganze Schlamassel zusammengepackt, weggeräumt und der Tisch neu eingedeckt. Wobei der Wein freilich nicht wirklich aus der leeren Flasche fließt, sondern wieder und wieder aus dem unerschöpflichen Reservoir einer blühenden Katastrophen-Fantasie gefüllt wird. Hiernach beginnt alles von Neuem, allein die Rollen werden gewechselt.
Wenn man nun weiß, dass das Stück eine gute Stunde dauert, darf man sich mit Fug und Recht im Vorhof einer Gastro-Hölle wähnen, in der ein Murmeltierkoch seinen täglichen Gruß aus der Küche schickt. Die Performance kommt einem auch beileibe nicht kürzer vor, als sie tatsächlich ist, eher im Gegenteil: Man darf sich, während der unablässigen – wenngleich mehr oder minder subtil variierten – Wiederholungen durchaus auf eine Streckbank für die Seele gespannt fühlen. (So geht es offensichtlich manchmal auch den Figuren selbst, etwa, wenn Voutsas einmal die Fassung darüber verliert, dass Lesca eine schiere Ewigkeit sich und die Flasche nicht rührt.) Aber das wird gleichwohl nie langweilig – und ist immer sehr lustig.
Eine verknotete Endlosschleife, mit Beckett’schem Garn der Absurdität gestrickt
Lesca und Voutsas sind zwei spielstarke, äußerst nuanciert agierende Komödianten, die mal artifiziell deklamieren, mal cholerisch kollabieren, mal nachdenklich verzweifeln, mal verzückte Begeisterung verströmen. Den Takt dazu gibt der von Graeme Miller komponierte charmant wuselig-daddelnde Heimelektronik-Soundtrack vor. Mit schönem, trockenem Monty-Python-Irrwitz steuert „L’Addition“ mithin durch den Limbus des (eben nicht ganz) Immergleichen, durch eine verknotete Endlosschleife, die mit Beckett’schem Garn der Absurdität gestrickt ist. Die Rechnung geht übrigens aufs Haus. Merci! Kann man unbedingt weiterempfehlen.
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