Von unserer Mitarbeiterin Inna Hartwich
Nein, Schulpaläste sollten es nicht werden. Weg mit aller Verschnörkelung, nichts mehr mit Historismus und Jugendstil. In den Schulen - und in den Wohnungen. Sparsamkeit und Klarheit sind die Stichworte, mit denen der Bauamtsleiter Josef Zizler Ende der 20er Jahre das städtebauliche Bild Mannheims zu verändern versucht. Zizler, der 1921 aus Bayern in die Quadratestadt zieht, hat vor allem eins im Gepäck: seine Begeisterung für die Neue Sachlichkeit.
Inspiriert von den Ideen des Bauhauses, das seit 1919 Kunst und Architektur funktionalisiert und dem Anspruch folgt, besser, zeitgemäßer und menschlicher zu bauen, zögert auch Zizler nicht, seine Unterschrift unter die Baupläne von knapp 40 Gebäuden in Mannheim zu setzen - Wohnungen, Schulen und Geschäfte. So auch 1925, als es darum geht, den Bau des Fröbelseminars in der heutigen Rennershofstraße zu genehmigen. Kurz zuvor hört Zizler den Vortrag "Typen neuer Baukunst" des Bauhaus-Gründers Walter Gropius in der Mannheimer Kunsthallen-Ausstellung "Neue Sachlichkeit". Und so nimmt das im Bauhaus-Stil entworfene Fröbelseminar langsam Gestalt an. Das von Rosa und Viktoria Grünbaum - zunächst in den Räumen der jüdischen Gemeinde - gegründete Schulhaus sollte nicht nur pädagogisch auf freie Entfaltung von Kindern setzen, sondern diese Ansätze auch architektonisch verarbeiten.
Im ehemaligen Schlossgarten entsteht eine beispielhafte Einheit von Form und Funktion: Weiß verputzt erhebt sich das Haus über dem T-förmigen Grundriss und hat neben mehreren Lehrräumen eine Hausmeisterwohnung, einen Kindergarten und eine Milchküche zu bieten. Schlanke Pfeiler tragen das Vordach des schlichten Baus voller Licht. Das Seminar wirkt, als hätte ein Riese seinen Baukasten mit Quadern und Würfeln aufgemacht und ganz akkurat Konstrukteur gespielt.
Wohnungsnot beseitigen
Bedacht ist auch Josef Zizler. Seine Tendenz zur Vereinfachung des Bauens schlägt sich auch im Wohnungsbau nieder. Schließlich galt es auch, sozialpolitischen Forderungen nachzugehen: die große Wohnungsnot zu beseitigen. Anstelle des Repräsentativen lässt der Architekt, der in München studierte, die sogenannte Gebrauchsqualität treten. Klare Linien, viel Licht und schlichte Möbel, eben die vom Bauhaus geforderte Einheit von Kunst und Handwerk, soll auch in den Wohnungen vorherrschen. Die Räume sollten funktional sein und "sich harmonisch in den Kontext des städtischen Gefüges" gesellen. Eine solche Harmonie glaubt Zizler in der Planung der Bäckerwegsiedlung in Käfertal - rund um die Mannheimer Straße, Dürkheimer Straße und den Bäckerweg - durchgesetzt zu haben. Auch hier dominieren gleichförmige, in der Höhe variierende Kuben. Seiner Forderung nach Flachdächern wird die Siedlung jedoch nicht gerecht.
Dafür wird die Amtsvilla des Oberbürgermeisters Hermann Heimerich am Oberen Luisenpark das Vorzeigeobjekt der Neuen Sachlichkeit schlechthin. Nicht umsonst trägt das von 1928 bis 1929 gebaute Haus des SPD-Mannes bis heute den Namen "Bauhaus-Villa", auch wenn das Gebäude längst nicht mehr steht - den Zweiten Weltkrieg überlebte es nicht. Hier lässt sich Zizler vermutlich von Georg Muche und seinem, mittlerweile zum UNESCO-Welterbe gehörenden, Weimarer Haus am Horn inspirieren. In konservativen Kreisen stoßen er und Heimerich auf Unverständnis. Doch davon lässt sich Zizler nicht verunsichern, plant weitere gemeinnützige Bauten, wie das Kinderhaus Gartenstadt in der Walkürenstraße, eine Mädchenberufsschule in der Weberstraße - die heutige Helene-Lange-Schule - und die Kinderklinik. Allesamt im Stil der Neuen Sachlichkeit.
In den 30ern - die Nationalsozialisten schließen das Bauhaus - nimmt sich auch der vermeintlich progressive Zizler in seinen Bauplänen zurück, allerdings nicht ohne hin und wieder die Einflüsse des Neuen Bauens durchschimmern zu lassen. So weist das Dafaka-Kaufhaus in P 5 und P 6 zwar charakteristische Merkmale der monumentalen, neuklassizistischen Repräsentationsbauten des Nationalsozialismus auf. Zizler versucht die Baumasse aber aufzulockern, indem er mit in der Höhe variierenden Kuben arbeitet. Denn für große Paläste hat der Mann einfach wenig übrig.
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