Schwetzinger Festspiele

"King Arthur" im Schloss: 333 Jahre alt - aber nicht tot

Den "Cold Song" kennen viele, den Rest von Purcells Oper „King Arthur“ eher wenige. Im Schwetzinger Schloss-Theater wirkt die Ausgrabung vitaler als manches zeitgenössische Musiktheater-Opus

Von 
Hgf
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Hat die Opernsache fest im Griff: der Rias Kammerchor im Schlosstheater Schwetzingen. © Elmar Witt

Ein Kontrastprogramm zu aktuellen Staatsmännern des Königreichs wie Boris Johnson – und vielleicht auch Rishi Sunak – wäre er natürlich, dieser König Artus und seine illustre Tafelrunde. Allerdings gibt es bis heute keinen einzigen historischen Beleg dafür, dass es den edlen, idealen Briten je in Fleisch und Blut gegeben hat. Obwohl schon seit Jahrhunderten gegraben und geforscht wurde.

Aber so ist es halt mit edlen Herrschern: Sie sind eher selten anzutreffen. Kreativ beschworen wurden sie dagegen umso häufiger und sehnsuchtsvoller, auch der Komponist Henry Purcell hat es (nach einer Textvorlage von John Dryden) vor jetzt immerhin 333 Jahren in der Semi-Opera „King Arthur“ nicht versäumt. Was eine kleine Aktualisierung wünschenswert erscheinen lässt, die bei den SWR-Festspielen ihre Schwetzinger Premiere hat. Die „eigentliche“ fand schon ein paar Tage früher in Berlin statt, wo die Hauptakteure herkommen: der RIAS Kammerchor und die Akademie für Alte Musik.

Slogans, Gags und Kampfparolen aus dem 20. Jahrhundert

Die neuerstellte Textfassung stammt von Stephanie Twiehaus und verbindet deutschsprachige Sprech- und englischsprachige Gesangstexte – wobei die letzteren während der Vorstellung nicht übertitelt werden. Twiehaus baut dabei auch ein paar Slogans, Gags und Kampfparolen aus dem 20. Jahrhundert ein, wie jene von den „German Krauts“, die England zu besiegen habe. Und das passt insofern, als der legendäre König Artus – bei John Dryden jedenfalls – gegen die Sachsen kämpft. Auch wenn es in der neuen Inszenierung von Christoph von Bernuth auf ein bloßes Armdrücken hinausläuft.

Artus wirkt beim Schauspieler Elias Arens mehr als einmal fahrig, hektisch und nicht selten sogar hasenfüßig. Wenn er seine Krone abnimmt, ist er nur ein Held mit Halbglatze. Aber blitzschnell verwandelt er sich in den schlimmen Hexer Osmond, der den Kampf der Sachsen unterstützt. Da muss er sich bloß einen Bart anhängen und in ein paar schwarze Lappen schlüpfen. Und schon wird er zum Genuss- und Überzeugungsbösewicht.

Sein Gegenspieler ist der „gute“ Magier Merlin (Katrin Wichmann, wie Elias Arens in diverse Rollen schlüpfend). Er ist übrigens neben dem Titelhelden selbst die einzige Figur in dieser Semi-Opera, die wirklich aus der alten Artus-Sage übernommen wurde.

Mag die Handlung in „King Arthur“ auch verworren sein: Die beiden Lager lassen sich leicht unterscheiden, denn die Briten sind zwar nicht mit Schirmen oder Charme, doch dafür mit Melonen ausgestattet – und die gegnerischen Sachsen mit besagten angeklebten Bärten. Das mag teilweise ein bisschen billig und klamottig sein, und überhaupt tendiert die halbszenische, ohne Bühnenbild zurechtkommende Inszenierung Bernuths manchmal zur Verballhornung des Stoffes. Das erinnert sogar an die guten, alten Monty-Python-Kinokomiker: „Ritter der Kokosnuss“ hieß damals, vor fast 50 Jahren, deren Angriff auf den Artus-Mythos. Reitend, aber ohne Pferd. Die Knappen mussten für das Hufgetrappel sorgen, durch das Aneinanderschlagen hohler Nussschalen. Vergleichbare Pennäler-Scherze gibt es auch in Schwetzingen. Doch man ertappt sich ziemlich oft beim Kichern. Und das ist dann auch wieder fast wie in einem Monty-Python-Film.

Zwischen Ergriffenheit und komisch anmutendem Pathos

Am Ende übrigens werden die Ritter in „King Arthur“ in der neuen Inszenierung Royals: huldvoll, wenn auch sinnlos winkend, lächelnd – und natürlich Tee trinkend. Es ist Sankt-Georgs-Tag, das Fest des Schutzpatrons der Insel. Und der Mix aus tief empfundener Ergriffenheit und komisch anmutendem Pathos lässt sich wirklich nur in England (und in Schwetzingen) so überzeugend inszenieren. Musikalisch steht ja ohnehin Vieles zum Besten: Der famose RIAS Kammerchor agiert in jeder Hinsicht bühnenfüllend, ist auch ein zentraler Handlungsträger. Manchmal breitet er sich gar im ganzen Schlosstheater aus, zieht durchs Parkett, singt auf Balkonen.

Viele seiner Vokalistinnen und Vokalisten treten überdies solistisch in Erscheinung, manche davon muss man ausdrücklich hervorheben – wie Mi-Young Kim in ihrem Part der „She“. Als Kollektiv wirkt dieser Chor dagegen ungemein kompakt und sehnig, Justin Doyle, sein Chef, sorgt überdies für die rhetorische Stringenz und Überzeugungskraft des Vortrags.

Sogar das Orchester tritt da etwas in den Hintergrund: Bei den Berliner „Akademikern“ hat Doyle die „Übermacht der hohen Streicher“ (wie er sagt) ein Stück weit eingedämmt, er lässt zudem mit einem extratiefen Stimmton spielen, der nur noch 392 Hertz aufweist. Der Schlagwerk-Apparat wird dafür eher üppiger besetzt – was sich besonders in den Kriegsmusiken von „King Arthur“ positiv bemerkbar macht.

Und dann gibt es noch diesen berühmten Hit, der mittlerweile „Cold Song“ heißt und den der deutsche Pop-Counter Klaus Nomi vor Jahrzehnten populär gemacht hat: tiefgekühlte, blitzeisartige Akkorde vom Orchester, über die sich zitternder und bebender, am Schluss ersterbender Gesang legt.

Florian Götz, der Bariton in Schwetzingen, kann das nicht völlig ausschöpfen. Aber der RIAS Kammerchor beherrscht auch diese Vortragsweise. Und ist der Garant dafür, dass die „King Arthur“-Ausgrabung vitaler wirkt als manches zeitgenössische Musiktheater-Opus.

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