Nachruf - Kammersänger Karl Heinz Herr im Alter von 86 Jahren gestorben / Mehr als 25 Jahre Mitglied des Nationaltheater-Ensembles

Karrierestart auf der Baustelle

Von 
Waltraud Brunst
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Viele Opernfreude trauern mit dem Mannheimer Nationaltheater um dessen Ehrenmitglied, den Bassisten Karl Heinz Herr, der am Montag 86-jährig in einem Pflegeheim in der Vorderpfalz verstorben ist. © Privat

Viele Opernfreude trauern mit dem Mannheimer Nationaltheater um dessen Ehrenmitglied, den Bassisten Karl Heinz Herr, der am Montag 86-jährig in einem Pflegeheim in der Vorderpfalz verstorben ist. Das hat das Theater mitgeteilt. Der überaus beliebte Sänger, der mehr als 25 Jahre lang dem hiesigen Opernensemble angehörte und 1988 mit dem Titel Kammersänger geehrt wurde, startete höchst ungewöhnlich in seine künstlerische Laufbahn.

Da der gelernte Maurer auch auf seiner Baustelle Arien zu schmettern pflegte, hörte ihn der Tenor Heinrich Bensing und vermittelte den begabten jungen Mann an den Gesangspädagogen Paul Lohmann, der ihn sogleich in seine Klasse an der Musikhochschule Frankfurt aufnahm. Karl Heinz Herr debütierte 1959 am Stadttheater Mainz, blieb eine Spielzeit und wechselte dann für drei Jahre an das Landestheater Darmstadt.

Erfolge auch in Bayreuth

1963, in der Ägide Ernst Dietz (Intendant) und Horst Stein (Generalmusikdirektor) wurde der mittlerweile 30-jährige Sänger nach Mannheim verpflichtet, wo auf den jungen Bassbuffo und Charakterbass ein imponierendes Rollenspektrum wartete. Überregionale, ja internationale Erfolge feierte er bald als Klingsor („Parsifal“) und als Alberich („Ring des Nibelungen“), den er auch 1974 bei den Bayreuther Festspielen sang.

Was hat Karl Heinz Herr in Mannheim für fabelhafte Rollen gesungen! Die großartigen Mozartpartien wie Osmin („Die Entführung aus dem Serail“), Leporello („Don Giovanni“) und Bartolo („Figaros Hochzeit“), die saftigen Figuren aus deutschen Spielopern wie den Bürgermeister van Bett („Zar und Zimmermann“) oder den Schulmeister Baculus („Der Wildschütz“), den Daland („Der fliegende Holländer“), den Rocco („Fidelio“), den Kezal („Die verkaufte Braut“), den Bettelmönch Warlaam („Boris Godunow“).

Große darstellerische Kraft

Aber abseits dieser große, wichtigen Rollen sei doch nicht vergessen, in welch ungewöhnlichem Maße der Menschendarsteller Karl Heinz Herr auch die vielen Nebenrollen durch seine Charakterisierungskunst veredelte. Es sei da nur an zwei geistliche Herren erinnert, den Fra Melitone in Giuseppe Verdis „La forza del destino“ und vor allem den verschmitzten Mesner im ersten Akt von Giacomo Puccinis „Tosca“. Die beispielhafte Präzision, mit der der Künstler seine Partien abzuliefern pflegte, hatte sich nicht nur in deutschen Landen herumgesprochen. Oft gastierte Karl Heinz Herr auch in Paris, in Italien und in der Schweiz.

Karl Heinz Herr bedauerte, dass er angesichts des üppigen Spielplans, in dem er so ziemlich überall besetzt war, nicht die Muße für gelegentliche Liederabende fand. Dafür hatte er sich aber in weitem Umkreis einen Namen als erstklassiger Oratoriensänger gemacht.

Seine letzten Lebensjahre waren schwer getrübt durch starke Einbußen an der Sing-, später auch an der Sprechstimme. Umso erschütternder seine mutmaßlich letzte öffentliche Verlautbarung anlässlich der Feierlichkeiten zu „60 Jahre Parsifal“ 2017, als er in einem Interview mit brüchiger Stimme seine innige Vertrautheit mit diesem Werk, „das ihm heilig war“, heraufbeschwor.

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