„Was ist das denn?“, zeigt sich der kleine Pelzkerl wenig amüsiert: Da ist ihm doch völlig unvermittelt etwas aufs Haupt gefallen, dessen eigentümlich wurstig gewundene Form und markant braune Farbe ihn indes schnell die genauere Natur des Objekts erfassen lässt. „Oh, so eine Gemeinheit!“, klagt er, „Wer hat mir denn jetzt auf den Kopf gemacht?“
Ja, das ist Kacke, möchte man da mitfühlend sagen – und träfe damit exakt das zentrale Sujet, um das es in der kommenden, kurzweiligen Stunde am Jungen Nationaltheater Mannheim (JNTM) gehen soll: Mit dem Stück „Vom kleinen Maulwurf, der wissen wollte, wer ihm auf den Kopf gemacht hat“ feiert hier eine Produktion für Zuschauerinnen und Zuschauer ab vier Jahren nach dem berühmten Bilderbuch von Autor Werner Holzwarth und Illustrator Wolf Erlbruch Premiere, das, 1989 veröffentlicht, zu einem weltweiten, in knapp 30 Sprachen übersetzten Bestseller avancierte.
Diese Premiere – die erste am Jungen NTM seit dem 1. November, wie dessen Intendantin Ulrike Stöck dem Publikum eröffnet – ist zugleich auch die erste physisch erlebbare Aufführung am Nationaltheater nach dem Neustart des Spielbetriebs zum Juni. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen in reduzierter Zahl und mit gebotenem Abstand zueinander im Saal, man hat zuvor einen Corona-Schnelltest gemacht, trägt weiter Maske. Aber es ist endlich wieder live, man nimmt wirklich vor einer realen Bühne Platz – und ist wahrscheinlich ähnlich aufgeregt wie die Jüngsten im Raum.
Dichte Atmosphäre
Der kleine Maulwurf (verkörpert von JNTM-Schauspielerin Katharina Breier) arbeitet sich eingangs, bald singend, von Klavier und Keyboard begleitet, im Stirnlampen-Dunkel durch seine unterirdische Behausung – was sich bei mehr Bühnenlicht dann als Wühlen in einem Erdeimer entpuppt: Hier wird mit effektvoll-einfachen Mitteln eine Fantasie anregend dichte Atmosphäre aufbaut. Überhaupt spielen Geräusche und vor allem die Musik eine wichtige Rolle in der Song-reichen Inszenierung des Theaterkollektivs James & Priscilla, wohinter sich Clara Minckwitz, Felix Scheer Nicolas Schneider, Aishe Spalthoff und Jasper Tibbe verbergen, die für Regie, Bühne, Kostüm und Komposition verantwortlich zeichnen.
Die Ensemblemitglieder Carmen Yasemin Zehentmeier und Uwe Topmann mimen (schön schillernd und mit Skimaske angetan) zwei Fliegen, die dem Maulwurf bei der Suche nach dem Urheber seines Ungemachs mit ihrer Exkrement-Expertise zur Seite stehen. Obendrein treten sie auch als Geräuschemacher in Aktion. Rasch folgen fäkale Begegnungen verschiedenster Provenienz und Konsistenz: Da rutscht und fällt etwa heller Glibber aus einem Rohr an der Traversenkonstruktion über der Bühne, und es erklingen wabbelige Sounds, als der Maulwurf die Masse berührt – die Taube war also offenbar nicht der Täter. Bald purzeln riesige braune Sack-Kugeln von der Decke: Pferdeäpfel, was die Fliegen erst zum analytischen Schwärmen („Rein pflanzlich!“, „Super!“) und schließlich dazu verleitet, sich voller Wonne mitten hinein zustürzen.
Charmant und ungezwungen
Das mit soviel Lust wie Können aufspielende und musizierende Schauspiel-Trio findet sich im Hasenköttel-Bälle-Regen wieder, besucht daneben – noch schnell standesgemäß aufgebrezelt – eine Schweinestall-Disco. Und bevor sich alles auflöst, geben die Fliegen noch eine charmante Unterrichtsstunde über Funktionsweise und Anatomie des Verdauungsapparates.
Was am Ende herauskommt, ist ein großer, ungezwungen lehrreicher und sehr unterhaltsam Spaß.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-junges-nationaltheater-mannheim-zeigt-unterhaltsame-maulwurf-premiere-_arid,1805784.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.mannheimer-morgen.dehttps://www.mannheimer-morgen.de/dossiers_dossier,-_dossierid,30.html