Mit ihren vielen Facetten zwischen Blues, Pop und Jazz hat Sängerin Julia Biel in den letzten 20 Jahren vor allem im Großraum London ein anspruchsvolles Publikum gefunden. Immer wieder sieht man sie aber auch anderswo in Europa, nun nach 2018 zum zweiten Mal in Mannheim. „Nicht viele wissen, dass ich eine deutsche Mutter habe“, erzählt die Britin im Mannheimer Club Ella & Louis. Die Suche nach persönlicher Herkunft sei ihr sehr nah. „Kennt ihr das, die Suche nach Heimat?“ Lieder zur Ermutigung trage sie vor, um Antworten auf diese wesentliche Frage zu finden.
Bis sie diesen intimen Kontakt zu den aufmerksamen Zuhörern findet, dauert es gleichwohl einige Zeit. Bis dahin knüpft Julia Biel zeitvergessen einen Soundteppich aus meditativem Gesang und verzögert verhallenden Saxofonpassagen ihres Kollegen Idris Rahman. Klavierimprovisationen teilweise im Stil von Keith Jarrett setzt sie selbst dazu. Dazu streicht Tilo Bertholo (Drums) wie unwillkürlich und fast zärtlich mit Besen über Becken und Hi-Hat, beweglich wie eine Marionette klopft er mit den Füßen leise auf Snare und Bass Drum. Samuel F’hima am Kontrabass legt kein grundierendes Continuo, sondern säumt filigran die Kanten der großen Melodielinien, die Biel und Rahman beschreiben. Einzelne, abgeschlossene Tracks sind nicht zu erkennen, dafür immer wieder dynamische Überraschungen, oft aus dem Leitinstrument Saxofon, das am meisten überzeugt, wenn es auf einer Tonhöhe den Rhythmus nach vorne treibt.
Publikum einbezogen
Biels Stimme flirrt federleicht in den oberen Oktaven, nach unten wird sie kräftiger und reich an emotional eingefärbtem Volumen; ihr professioneller Vortragsstil erinnert an Billie Holiday, Aziza Mustafa Zadeh und Amy Winehouse. Wo andere Sängerinnen ihres Genres Zerbrechlichkeit ausstrahlen, setzt Julia Biel auf spirituelle Dramaturgie, die jedoch mit jeder Minute des Konzerts ihre vorsichtige Zurückhaltung abstreift.
Die Jazz-Sängerin in ihr wird lauter, variiert in kürzeren Abständen Intonation und Timbre, treibt ihre männlichen Kollegen zu mitreißender, rasch abwechselnder Rhythmik. Immer wieder schlägt sie die Brücke zu Saxofonist Rahman – die beiden nehmen in puncto musikalischer Spannung allerdings mitunter eine zu ernste, zu intensive Verbindung auf. Gott sei Dank funken Bassist und besonders Drummer Bertholo als freie Radikale immer wieder munter dazwischen und gestalten einen frischen Gesamtsound, der das dankbare Publikum einbezieht.
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