Mannheim. Üblicherweise taucht Elisabeth Charlotte, pardon Liselotte von der Pfalz, posthum in barockem Kostüm samt Perücke auf. Nichts davon bei dem kabarettistischen Theatermonolog in der Mannheimer Klapsmühl: Josefin Lössl nähert sich als feministisch ambitionierte Fernsehautorin der im Heidelberger Schloss aufgewachsenen Prinzessin, die es an den französischen Hof des Sonnenkönigs verschlagen hat.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Inszenierung „Liselotte von der Pfalz oder: Mein wahres anderes Ich“ begeistert bei der Premiere. Der lange Schlussbeifall gilt besonders, aber nicht nur Josefin Lössl, die witzig-spritzig spielt und dabei eine enorme Textleistung stemmt. Dass die köstlichen Formulierungen des Stammautors Wolfgang Marschall vom Publikum goutiert werden, davon kündet immer wieder Zwischenapplaus. Regie hat einfallsreich Uwe von Grumkow geführt – seine zweite Zusammenarbeit mit der Klapsmühl.
Eigentlich bietet die gemimte Journalistin dem TV-Edelsender „Arte“ ein Porträt über die revolutionäre Frauenrechtlerin Alexandra Michailowna Kollontai an. Der Redakteur – ein auf Quote bedachter Macho? – winkt jedoch ab und schlägt Liselotte von der Pfalz vor. Wie bitte, dieser blaublütigen Klatschtante mit Schreibzwang sowie schwulem Ehemann und dazu aus einer zwar prunkvollen, aber verstaubten Epoche soll sie eine Dokumentation widmen?, wettert die Protagonistin des Solostücks – dem Publikum als Ensemblemitglied der „Dusche“ bestens bekannt. Nein, für eine Adelsschmonzette ist sie nicht zu haben. Da könnte ja gleich „die Christel von der Post“ als „fleischgewordenes Bildungsdefizit“ hochgejubelt werden. Aber je mehr sich die Hadernde in mannigfache Briefe der einst „Polit-Zwangsverheirateten“ vertieft, umso stärker nimmt die bodenständige wie bestens beobachtende Herzogin von Orléans mit pfälzischem Migrationshintergrund für sich ein. Liselotte mutiert gar zur „Simone de Beauvoir des Barock“ – schließlich ist von ihr die Erkenntnis überliefert: „Glücklich, wer nicht geheurat ist.“
Der szenisch gespielte Monolog bringt das Kunststück fertig, gleich dem einst noch ungezähmten Neckar wild zu mäandern – durch Jahrhunderte wie Themen. Mal taucht der frauenverachtende Voltaire auf, dann wieder schießt sich Fußball in den Fluss der Handlung. Liselotte inspiriert und irritiert höchst ungewöhnlich. Und dies macht den Reiz der amüsanten wie aufschlussreichen Hommage aus.
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