Das Arpeggione ist ein Zwitter-Instrument aus Gitarre (sechs Saiten) und Gambe (zwischen den Knien zu halten). Es wurde zu Beginn des 19. Jahrhunderts erfunden und wäre längst wieder vergessen, hätte Franz Schubert nicht seine berühmte Arpeggione-Sonate komponiert. Da es heute aber keine Arpeggione-Spieler mehr gibt, wird das Werk auf Geige, Bratsche oder Cello ausgeführt, auch eine Kontrabass-Version wurde aktenkundig. Beim Heidelberger Frühling spielte jetzt die Mannheimer Geigen-Professorin Viviane Hagner die Arpeggione-Sonate; sie spielte sie mit vollem, sehnigem Ton und größter klanglicher Differenzierungskraft. Sie war an diesem Abend die Meisterin der Piano-Schattierungen bis hin zum ertasteten Übergang zwischen Ton und Stille. Das war schon große Interpretationskunst, und bei diesem Ausnahme-Niveau konnte auch ihr Begleiter Till Fellner, der sicher ein hochsolider und fingerfertiger Pianist ist, nicht mithalten.
Das Konzertprogramm in der Alten Aula der Heidelberger Uni war coronabedingt verkürzt worden. Anton Weberns „Vier Stücke für Violine und Klavier“ op. 7 sind wunderbare Beispiele für den Geist der neuen Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach den üppigen und langen Orchesterpartituren in der Zeit davor geht es jetzt um äußerst verknappte Kammermusiken: wenige Noten, von denen aber jeder Ton mit Bedeutung vollgesogen ist.
Schließlich Beethovens G-Dur-Violinsonate op. 96, Beethovens letzte Violinsonate überhaupt: Besonders eingeprägt haben sich der poetische zweite Satz, von Viviane Hagner und jetzt auch von Till Fellner mit wunderbarer Zärtlichkeit gespielt, und die Kehraus-Qualitäten des Finalsatzes, bei dem beide Interpreten die Zügel schießen ließen. Auch wenn nichts normal ist in diesen Zeiten – die Zugabe bleibt uns erhalten. In diesem Fall hieß das zweimal Fritz Kreisler: ein Wiener Marsch, schmissig hingeworfen von den beiden gut gelaunten Interpreten, und sein Erfolgsstück „Liebesleid“, für jedes Konzert ein perfekter Schlusspunkt.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/kultur_artikel,-kultur-jeder-ton-mit-bedeutung-vollgesogen-_arid,1902205.html