Porträt

Jakob Schwerdtfeger schlägt eine Brücke zwischen Comedy und Bildender Kunst

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„Ein Bild für die Götter“: Jakob Schwerdtfeger inmitten eines Stilllebens. © Marvin Ruppert

Der rote Himmel in Edvard Munchs „Der Schrei“ könnte für das Haar einer Frau stehen, vor der Munch Angst hatte. Jakob Schwerdtfeger hält diese Interpretation allerdings für „Schwachsinn“. Auf seinem YouTube-Kanal „Was macht die Kunst?“ nimmt der Kunsthistoriker und Comedian kein Blatt vor den Mund. Sein Ziel: Kunst humorvoll und alltagsnah vermitteln, in Videos, in seinem Podcast und in seiner Bühnenshow „Ein Bild für die Götter“.

Zwar waren Schwerdtfegers Großvater und Urgroßvater Künstler, lange hat er sich jedoch nicht besonders für das Thema interessiert. Bis zu einem Schlüsselmoment, als er 15 Jahre alt war: „Ich bin ich in Amsterdam alleine ins Van Gogh Museum gegangen, einfach weil ich etwas ’Erwachsenes’ machen wollte“, erzählt er im Gespräch mit dieser Redaktion. Vor dem relativ unbekannten Bild „Blick auf Auvers“ hat es dann „klick gemacht“, so Schwerdtfeger. „Auch wenn das Bild eigentlich ziemlich langweilig ist - es zeigt ein Feld, Wolken und ein Dorf - haben mich die drei komplett unterschiedlichen Stile, die sich selbstverständlich zusammenfügen, fasziniert.“

Danach war sein Interesse für Kunst und Kunstmuseen geweckt. Schwerdtfeger studierte Kunstgeschichte in Frankfurt und arbeitete nebenbei im Städel-Museum, zunächst als Aushilfe für einen Kurator. „Dort war ich sehr nah an der Kunst und habe viel gelernt“, erzählt er. Später gab er Führungen und nach dem Studium arbeitete er einige Jahre in der Kunstpädagogik, wo er an digitalen Projekten zu Ausstellungen mitwirkte. Parallel dazu trat Schwerdtfeger auf Poetry Slams auf.

Von dahin war der Weg zu Comedy-Kabarett - mit Kunst als Schwerpunkt - nicht weit. In seinen Bühnenshows erzählt Schwerdtfeger Anekdoten aus seinem Alltag im Kunstmuseum, baut Freestyle-Rap-Passagen ein und thematisiert auch mal rein unterhaltsame Themen wie Hotdog-Wettessen. „Ich versuche, den Bogen zwischen Hochkultur und Alltag zu schlagen“, erklärt er. Auch aus pragmatischen Gründen: „Wenn ich länger als zehn Minuten am Stück über Kunst rede, steigen die Leute aus.“

Jakob Schwerdtfeger will anders sein als „klassische“ Kunsthistoriker. „Die Kunst hat ein Imageproblem“, meint er, „sie stößt Leute ab, weil viele sie für so elitär halten.“ Ein Problem für ihn ist der Fachjargon, der bei Laien viel Wissen voraussetze: „Ich kriege die Krise, wenn ich Ausstellungskataloge lese. Ich habe das Gefühl, man will die Leute eher mit schlauen Wörtern beeindrucken, anstatt sie mit ins Boot zu holen, ihnen einen Zugang zu einer Ausstellung zu bieten.“ Man müsse sich immer wieder klar machen, dass man als Kunsthistoriker in einem Elfenbeinturm agiert, meint Schwerdtfeger. „Und viele machen sich das leider nicht mehr klar.“

Schwerdtfeger schlägt einen anderen Weg ein: Er vermittelt Kunst mit Witz und Unterhaltung „Mit Humor kann man wahnsinnig viele Türen öffnen - und parasitär Wissen über Kunst reinschmuggeln.“ Das kommt nicht nur bei der jungen Zielgruppe an: Sein Programm richtet sich an ein möglichst breites Publikum, das er für Kunst begeistern will.

2019 hat Schwerdtfeger seinen Job im Städel aufgegeben, um sich ganz dem Bühnenleben zu widmen. Sein Solo-Comedy-Programm „Ein Bild für die Götter“ sollte er eigentlich schon 2020 aufführen. Die Krise machte den Comedian erfinderisch: Binnen zwei Wochen stellte er den Podcast „Künstlerisch wertvoll“ auf die Beine. Darin spricht Schwerdtfeger mit Menschen aus der Branche, etwa mit einer Rahmen-Macherin, Street Art-Künstlern oder einem Fotografen und beleuchtet Kunst so von allen Seiten. In seiner neuen YouTube-Videoserie „Was macht die Kunst?“ spricht er hingegen über Kunst und erklärt, was es mit berühmten Gemälden, etwa Da Vincis Mona Lisa, auf sich hat. Auch dabei bleibt der Comedian sich selbst treu: Als großer Hip-Hop-Fan analysiert er so auch Rap-Passagen, in denen es um Kunstwerke geht.

Und was hat Edvard Munchs „Der Schrei“ mit dem Alltag zu tun? Schwerdtfegers YouTube-Video liefert die Antwort: Das Gemälde mit dem erschrockenen Gesicht hat die Popkultur inspiriert: Von der Maske im Horror-Film „Scream“ bis hin zum schreienden „Emoji“ in Nachrichten-Apps auf Smartphones. Was Schwerdtfeger über Kunst erzählt, bleibt im Kopf.

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