Theaterfestival

Intendant zieht positive Bilanz

Heidelberger Stückemarkt endet mit Preisverleihungen und zwei Aufführungen aus dem Gastland Schweden

Von 
Martin Vögele
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Gruppenbild nach der Preisverleihung: Der 40. Heidelberger Stückemarkt ist zu Ende gegangen. © Susanne Reichardt

Es war vor 40 Jahren, als sich ein Intendant dazu entschloss, „endlich in Heidelberg ein bisschen mehr die große Theaterwelt vorzuführen“, indem er Gastspiele in die Schlossstadt einlud. Der Intendant, der das anstieß, hieß Peter Stoltzenberg. Der Intendant, der heute, zum Abschluss des inzwischen 40. Heidelberger Stückemarkts, an diese Anfänge erinnert, heißt Holger Schultze.

Und die Theaterwelt, die dem Heidelberger Publikum im Jahr 2023 vorgeführt wurde, ist eine wahrlich große, bestechend vielfältige und längst auch eine weltläufige geworden. In blanken Zahlen: 20 Gastspiele aus dem gesamten deutschsprachigen Raum waren in den zehn Festivaltagen zu sehen, dazu kamen neun Lesungen der „Autor*innenwettbewerbe“ und drei Produktionen aus dem Gastland Schweden.

8800 Gäste

Rund 8800 Besucherinnen und Besucher zählte das Festival – womit es der erfolgreichste Stückemarkt zumindest in seiner Intendanz gewesen sei, bilanzierte Schultze, der zur Spielzeit 2011/2012 nach Heidelberg gekommen war. 95 Prozent betrug die Platzauslastung, „was für mich auch für das Interesse am zeitgenössischen Theater spricht“, führte er im Alten Saal des Theaters weiter aus, wo das Festival am Sonntag mit den Preisverleihungen zu den verschiedenen Dramatik-Wettbewerben endete. Dabei wurde auch der zentrale, mit 10 000 Euro dotierte „Autor*innenpreis“ an die Dramatikerin Leo Lorena Wyss für ihr Stück „Blaupause“ vergeben. Mit insgesamt 32 500 Euro sei die Preisgeldsumme zudem so hoch „wie noch nie“, dankte Schultze den Sponsoren. Er denke, „die Gegenwartsdramatik ist wichtiger denn je“, betonte der Intendant. „Und es ist unsere Aufgabe als Theater, gerade diese Gegenwartsdramatik zu fördern, ihren Stellenwert zu untermauern und genau die Themen, die das Theater aktuell beschäftigen und die Gesellschaft, auf die Bühne zu bringen.“

Neben den Lesungen, Gastspielen, Theatergesprächen und zwei Partys wurde auf dem Theaterplatz ein (kostenfreies) Programm mit Konzerten und weiteren Formaten präsentiert, das erstmals vom „zwinger x“-Team kuratiert wurde. Heidelbergs Kulturbürgermeister Wolfgang Erichson begrüßte gerade auch diese öffentliche Bespielung des Platzes. Der Stückemarkt beweise, dass Gegenwartsdramatik dazu diene, „junge Menschen ins Theater zu holen“, so Erichson: „Das ist offen für alle Menschen, für alle Generationen, für alle Nationen. Und natürlich gehört dazu auch Party feiern“, erklärte er.

Im besten Sinn offen für alle Generationen zeigte sich auch das im schwedischen Gastlandprogramm aufgeführte Stück „Glücklich bis ans Ende unserer Tage“ des Backa Teater Göteborg. Die Uraufführung von Lars Melin richtet sich an ein Publikum ab zehn Jahren – aber wenn man jene kleingedruckte Notiz übersieht, könnte diese Konzeption auch für Erwachsene unbemerkt bleiben. Wir erleben eine launige und sehr (live-)musikalische Theater-Handreichung, die rund um glückversprechende Sinnsprüche („Hab eine positive Einstellung“, „Sortiere aus, was du nicht brauchst“) und ihre konkreten Umsetzungsversuche kreist. Wir sehen auch, wie schnell die Glücks- und Sinnsuche etwas Erzwungenes haben und auf der anderen Seite Scheitern durchaus Spaß bereiten kann.

Dreistündige Uraufführung

Das Glück, um das es in „Es gab noch nie eine Frau wie Anna Karenina“ des Orionteatern Stockholm in Kooperation mit dem Riksteatern geht, trägt dagegen den Untergang in sich. In der auf den Kernstrang von Tolstois Roman-Epos „Anna Karenina“ reduzierten Bühnenadaption von Tone Schunnesson und Regisseurin Ragna Wei entzündet die Begegnung der verheirateten Anna (Emma Broomé) mit Graf Wronskij (Freddy Asblom) eine verzehrende, zerstörerische Leidenschaft, die das Paar im eigenen Feuer verglühen lassen wird.

Die Uraufführung kommt in Gestalt eines (mit Pause) dreistündigen, geradezu filmmusikalisch ausgekleideten und pointiert choreografierten Theater-Malstroms daher – berstend expressiv und vom intensiven Spiel des Ensembles getragen, allen voran von Broomé, die ihre Anna mit unbändig lodernder Kraft in den Wahn und Tod treiben lässt.

Die preisgekrönten Stücke

„Autor*innenpreis“ (10 000 Euro: Leo Lorena Wyss für „Blaupause“.

„Internationale Autor*innenpreis“ (5000 Euro): Alejandro Leiva Wenger für „Leichenschmaus/Minnesstund“.

Jugendstückepreis (6000 Euro): Junge SchauSpielHaus Hamburg für „Out there“ von Staislava Jevic nach einer Idee von Dominique Enz.

Erstmals wurden die beiden anderen nominierten Jugendstücke - „What the Body?!“ vom Theater im Marienbad Freiburg und „Drei Kameradinnen“ vom Staatstheater Darmstadt mit jeweils 2000 Euro honoriert.

Nachspielpreis: „zwei herren von real madrid“ von Leo Meier in der Inszenierung des Schauspiel Leipzig, verbunden mit einer Einladung ins Rahmenprogramm der Autor:innentheatertage 2024 am Deutschen Theater Berlin.

SWR2 Hörspielpreis (5000 Euro) Lamin Leroy Gibbas Stück „Doppeltreppe zum Wald“.

„Doppeltreppe zum Wald“ erhielt auch den Publikumspreis in Höhe von 2500 Euro. mav

Freier Autor

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