Mannheim.
Ina Müller in eine Schublade zu stecken, dürfte schwierig werden. Denn die Künstlerin ist sowohl als Sängerin, Autorin aber auch Moderatorin und Musikkabarettistin erfolgreich. Derzeit tourt das Nordlicht mit „Ina Müller & Band“ durch Deutschland und gastierte am Samstag auch in der Mannheimer SAP-Arena. Bei ihrem rund zweieinhalbstündigen Auftritt präsentierte Müller zahlreiche Facetten ihrer Persönlichkeit und begeisterte die rund 3000 Zuschauerinnen und Zuschauer mit einem Programm voller Höhepunkte und Überraschungen.
Unterstützt wird sie von ihren Backgroundsängerinnen Ulla Ihm und Sarajane McMinn sowie ihrem Pianisten Kai Fischer, den Gitarristen Hardy Kayser und Mirko Michalzik, Bassist Dirk Ritz und Schlagzeuger Marco Möller.
Was Ina Müller in der Pandemie gemacht hat
Mit dem spritzigen Song „Ich halt die Luft an“ betritt Müller den Saal, bevor sie sich anschließend in Plauderlaune zeigt. Müller, die sich mit einem schwarzen Hosenanzug, High Heels, schickem Pferdeschwanz und knallrotem Nagellack in Schale geworfen hat, ist zwar optisch eine Lady, pfeift aber auch gleichzeitig auf gesellschaftliche Konventionen. Und das ist gut so. Das Grenzen zu sprengen, das liegt Müller, die sich auch mit 57 Jahren ihre jugendliche Art bewahrt, im Blut. Sie kann frivol sein, um im nächsten Augenblick nachdenklich in „Fast hält besser als fest“ über ein Beziehungsaus per Ghosting zu singen.
Elegant umschifft sie Klischees und wirft stattdessen einen frischen Blick auf Alltagsphänomene und Beziehungskisten. Dabei trifft sie immer wieder ins Schwarze, so dass man immer wieder den Wunsch verspürt „Kenn ich auch“ in Richtung Bühne zu rufen. Charmant kokettiert sie mit dem Älterwerden und berichtet schonungslos, warum der Kauf von Lingerie für sie zu einem traumatischen Erlebnis wurde. Unverblümt erzählt die sympathische Chanteuse, wie sie den Lockdown in der Hochzeit der Corona-Pandemie überstanden hat. Rotwein im Müsli inklusive. Sie habe versucht, diese Zeit zu nutzen, um Kochen zu lernen. Das habe zwar nicht geklappt, aber sie könne nun profimäßig Gerichte bestellen. „Lieferando ist wie Essen gehen – nur ohne BH“, sagt sie und hat damit die Lacher auf ihrer Seite.
Intim-Waxing tut weh
Zudem sei sie auf den Spuren von Marie Kondo gewandelt, um mal wieder auszumisten. Getrennt habe sie sich von vielen Designerstücken, darunter ihre Victoria Beckham-Jeans, einem Fehlkauf aus London, die sie nie getragen habe. „Sie hat nie gepasst“, verrät sie bevor sie der Designerin Böswilligkeit gegenüber Frauen bescheinigt, die nicht von Natur aus mager sind. „Muss das heute noch sein?“, fragt sie. Überhaupt scheut sich die Kabarettistin nicht, auch intime Themen anzusprechen. Etwa Frauenarztbesuche und Körperbehaarung.
Anschaulich und mit viel Humor berichtet sie von ihrem ersten Intim-Waxing, das sie aufgrund von Schmerzen abbrechen musste. Tätowieren kommt für sie nicht in Frage: „Man macht ja auch keine Aufkleber auf einen Ferrari“, sagt sie schmunzelnd. Zudem kreidet sie an, dass Hotelzimmer in den vergangenen Jahren immer unpraktischer geworden sind. Das fängt beim fehlenden Allibert an und hört bei Toiletten mit Glaswand auf. Besonderes Ärgernis: Eine Regendusche. „Sie bringen uns Frauen gar nichts“, moniert sie. Denn damit könne man ja nicht wirklich überall sauber werden. Müllers Lösung: Ein Handstand, den sie auch prompt auf der Bühne mit Hilfe ihrer Sängerinnen demonstriert. Das Thema Liebe liegt der Norddeutschen am Herzen. Großraumdiscos im Dorf seien wie analoges Tinder und Satin-Bettwäsche wirke Wunder, prophezeit sie.
Rotwein zum Abschied
In ihren Liedern verpackt sie sowohl ernste als auch witzige Themen in ein Ohrwurmwürdiges Klanggewand. Bei dem fröhlichen „Lieber Orangenhaut“ erklärt sie augenzwinkernd, warum sie nicht mehr 18 sein will. „Laufen“ nimmt den Fitnesswahn humorig auf die Schippe und das flotte „Eichhörnchentag“ bringt Vergesslichkeit gekonnt auf den Punkt. Nostalgisch wird sie in der bluesigen, autobiografischen Ballade „Fünf Schwestern“. Nach der Zugabe, der Dancehymne „Mark“ sowie einer Reprise von „Ich halt die Luft an“, verabschiedet sich Müller mit den Worten „Nicht vergessen: Es ist Samstagabend. Ein Glas Rotwein ist nicht nur sehr gesund, sondern auch sehr wenig.“
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