Ukrainerinnen in Deutschland

Im Zwiespalt von Krieg und Frieden

Am Karlsruher Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) zeigen in der Ausstellung „On the Boundary of Two Worlds“ drei Stipendiatinnen, wie ihre Zerrissenheit zwischen zwei Welten aussieht

Von 
Susanne Kupke
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„Natural History of Destruction“: In dem im ZKM gezeigten Werk will Anna Manankina die Auswirkungen des Kriegs auf Leib und Seele der Frauen behandeln. © Uli Deck/dpa

Es ist nur ein einziger bewegter Strich. Er windet sich, formt Menschen, verbindet, verschwindet – und beginnt von Neuem. „Miracle Support“, wundersame Unterstützung, nennt Alina Bukina ihre Animation. Man kann darin Flüchtende erkennen. Oder einfach Menschen in Bewegung. Wenn der verbindende Strich abends im Foyer des Karlsruher Medienkunstzentrums ZKM leuchtet, ist er für die 30-jährige Künstlerin vor allem eins: ein Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten. Alina Bukina ist eine von drei ukrainischen ZKM-Stipendiatinnen, die Einblick in ihr Schaffen geben. „On the Boundary of Two Worlds“ („An der Grenze zwischen zwei Welten“) zeigt zugleich, was der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auch aus Menschen macht, die davon gekommen sind.

Erster russischer Überfall

So stellt die Menschenrechtsaktivistin und Filmemacherin Oksana Ivantsiv eine Soldatin vor, die nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg mit einer posttraumatischen Belastungsstörung kämpft. Der von ihr produzierte Dokumentarfilm „No Obvious Signs“ (Regie: Alina Horlowa/2018) erinnert an den ersten russischen Überfall auf die Donbass-Region.

Anna Manankinas Videoinstallation „Natural History of Destruction“ wiederum befasst sich mit den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Leib und Seele der Frauen. Prächtige Blüten wachsen aus Knochenstrukturen oder fallen wie Grabblumen auf sie. Ihre Interpretation des kunsthistorischen Motivs von „Tod und das Mädchen“ verweist auf die spezifische Bedrohung von Frauen im Krieg durch Vergewaltigung. „Du arbeitest hier und fühlst dich sicher. Aber du kannst nicht vergessen, was du gesehen hast“, sagt die 27-Jährige aus Charkiv.

Zur Ausstellung

  • Die Künstlerinnen: Alina Bukina, Oksana Ivantsiv und Anna Manankina.
  • Das Projekt: Das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) hilft mit Werkpräsentationen, Künstler hierzulande bekannt zu machen. Auch über verlängerte Stipendien hinaus sichert Chef-Kurator Philipp Ziegler Unterstützung zu. Ehemalige Stipendiaten sollen mit dem ZKM assoziiert bleiben und Arbeitsräume vorerst weiter nutzen können.
  • Die Öffnungszeiten: Bis 12.2. Mi-Fr 10-18 Uhr, Sa/So 11-18 Uhr (Info: 0721/8 10 00).

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 haben bundesweit zahlreiche Kunstinstitutionen Künstlerinnen und Künstler und Kulturschaffende vorübergehend als Stipendiaten aufgenommen. Das ZKM unterstützt schon länger politisch bedrohte Künstler und arbeitet mit „Artists at Risk“ zusammen. Das internationale Netzwerk vermittelt Gastaufenthalte an Kulturinstitutionen. 2040 Kulturschaffende aus der Ukraine haben seit Kriegsausbruch allein bei „Artists at Risk“ um Hilfe gebeten, berichtet die Organisation. 341 wurden an verschiedene Kulturinstitutionen in Europa vermittelt.

An sich haben Anna Manankina und Alina Bukina das große Los gezogen. Das ZKM-Stipendium ermöglichte ihnen seit April abseits des Krieges und finanziell abgesichert weiter künstlerisch tätig zu sein. Dafür sind sie dankbar. Probleme, mit der Situation zurechtzukommen, haben sie dennoch. „Mein früheres Leben existiert nicht mehr“, sagt Alina Bukina aus Saporischschja. Die vielen dunklen Gedanken wollen nicht weichen. Hinzu kommen Gewissensbisse: Sie lebt hier im Frieden, doch ihre Familie und ihre Freunde sind im Krieg.

Schritt in die Selbstständigkeit

Ganz schlimm war der Silvesterabend. Während zu Hause russische Geschosse einschlugen und Detonationen Fenster zum Bersten brachten, ließen es die Deutschen zum Jahreswechsel mit Böllern und Feuerwerk mal wieder so richtig krachen. „Die Leute hier leben in einer anderen Welt“, sagt Alina Bukina. Der Kampf ums Überleben dort und die Normalität hier sind für sie kaum in Einklang zu bringen.

Wenn die Stipendien nun auslaufen, wollen die Künstlerinnen dennoch in Deutschland bleiben. „Wir haben die Chance, an einem sicheren Ort zu sein, und wollen als Künstler arbeiten“, sagt Alina Bukina. Schließlich haben die beiden auch eine Mission: „Wir wollen die zeitgenössische ukrainische Kultur sichtbar machen.“ Klappt es nicht mit einem Anschluss-Stipendium, wollen sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. 

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