Junge Talente - Der Komponist Friedrich Heinrich Kern auf Heimspiel beim Heidelberger Frühling

Hörstück für Kugelgestalten

Von 
Anna Schweingel
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Dem folgen, was einem aufgetragen ist: der in Ludwigshafen geborene Komponist Friedrich Heinrich Kern

© Simon Zoric

Vor fünf Jahren. Ein Portrait für ein Magazin, ein Treffen im Garten eines Mannheimer Lokals. Friedrich Heinrich Kern ist auf dem Sprung nach New York. Inzwischen: Das Wirtshaus ist in der Neckarstadt längst umgezogen, das Magazin gibt es nicht mehr, und wir unterhalten uns via Skype, also übers Internet, quer über den großen Teich. In der Quadratestadt scheint der Vollmond satt und schön vom Himmel, in Brooklyn ist noch Tag. Ist das eine Form der "Kugelgestalt der Zeit", die ihn damals so faszinierte?

Fritz, wie ihn seine Freunde in New York nennen, grinst aus dem Bildschirm heraus. Er sieht heute nicht so sehr wie ein Komponist aus, wenn man davon überhaupt ein Klischee im Kopf hat. Leider nur ist seine Schirmmütze irgendwann nicht mehr zu sehen, denn die Verbindung ist schlecht und wir schalten das Bild ab. Ein Hörstück mit Friedrich Heinrich Kern.

Seine Stimme mäandert gleichmütig durch die Themen. Nur selten wird daraus eine Stromschnelle. So geht es in irritierender Normalität um Komposition und Suche, um Amerika, Inspiration und Verbindlichkeit. Friedrich Heinrich Kern wurde vom Heidelberger Frühling für die Akademie Junger Komponisten eingeladen. Er beschließt bald seine Kompositions-Promotion, für die er ein fünfjähriges Stipendium der New York University hatte. Dicke Bretter also, die er da bohrt. In Heidelberg wird er seine Werke aus den Zeiten in Mannheim und New York kommentieren und einer Klavierkomposition von Ludwig van Beethoven entgegenstellen - Les Adieux. Er würdigt seine Förderer, indem er bündelt, was sie ermöglicht haben. Sie, das sind zum Beispiel: Matthias Pintscher, Ulrich Leyendecker. Noch Fragen?

Ja. Wie ist das mit dem Komponieren und der Inspiration? Das Hörstück wird auf einmal von einem Höllenlärm übertönt. Friedrich Heinrich Kern ist für das Gespräch extra zu einem Kollegen ins ruhigere Brooklyn gefahren, aber heute werden die Bäume vorm Fenster gefällt und zerkleinert. Das ist ihm richtig unangenehm. Wie es da draußen aussieht? "Wie in Deutschland." Alles klar. Und auch in ihm sieht es in Amerika nicht anders aus als in Deutschland. Es gilt immer noch der Satz von vor fünf Jahren: "Ich bin überall derselbe." Und er ergänzt heute: "Selbst wenn ich wieder zurückkomme nach Deutschland - in New York werde ich immer bleiben." Ist er selbst zur Kugelgestalt geworden?

Alles ist schon da

Friedrich Heinrich Kern nimmt ernst, was er tut. Entscheidung und Gegenwart sind seine Stichworte: "Wenn du immer nur suchst im Leben, dann kannst du ja verzweifeln. Es geht für mich darum, das Leben jetzt zu leben und nicht zu denken, ich muss da irgendwas finden. Das ist ja das Schöne. Es ist alles schon da, und man kann nur in die richtige Richtung weitergehen."

Das hat für ihn sehr viel mit Komposition und Inspiration zu tun, aber ist das trennbar vom Leben an sich? Inspiration stehe am Anfang; der wesentliche Rest sei Ausarbeitung. Mit sperrigen Momenten, die er inzwischen gelassener nehmen kann, weil er sie kennt. Er hört dann in sich hinein. Nein, das sei kein Bauchgefühl, sondern konkret: "Leicht ist dieser Prozess des Bei-Sich-Seins nicht. In jedem Moment deines Lebens, wo es um Entscheidungen geht, musst du brutal ehrlich mit dir sein: Ist es das, was ich will oder bin ich beeinflusst? Es geht um Willenskraft und Entscheidung."

Das zieht sich von ganz banalen Entscheidungen zu den ganz großen. Wichtig ist es, keine Kompromisse zu machen. Das klingt im ersten Moment egozentrisch, ist aber selbstlos. Denn es heißt, dem zu folgen, was einem aufgetragen ist, mich der Situation zu stellen, und damit denen etwas zurückzugeben, die meine Wegbegleiter sind." So auch jetzt: "Wenn ich zum Beispiel entscheide, in Heidelberg meine Stücke zu präsentieren, muss ich das auch vor mir vertreten können, mit meiner zur Verfügung stehenden Kraft gestalten und Prioritäten schaffen. Es ist menschlich, da Ablenkungsmanöver zu starten, und es ist die Kunst, dem entgegenzuwirken."

Ist das der Kern - diese Kompromisslosigkeit, das Reinhören in sich, das Ernstnehmen dessen, was die Gegenwart fordert? Und da endlich kommt die Stromschnelle: "Ja, einfach dein Ding machen, das ist das Wichtige!" Er ist heraus aus seiner Coolness, die Stimme hat auf einmal Berge und Täler. Mal hören, wie das klingt, wenn Friedrich Heinrich Kern bei sich ist, im Jetzt, und sein Ding macht.

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