Dass die King's Singers im nächsten Jahr ihren 50. Geburtstag feiern, sieht man dem weltberühmten Vokal-Sextett aus England nicht an. Kein Wunder, hat sich das 1968 in Cambridge von ehemaligen Chor-Stipendiaten gegründete Ensemble doch im Lauf der Jahrzehnte mehrfach verjüngt, sodass die King's Singers anno 2017 eher eine schicken Boygroup gleichen als Vertretern der sogenannten E-Musik. Wobei: Was die sechs Sänger am Dienstag beim Würzburger Mozartfest in der Augustinerkirche während eines anderthalbstündigen Konzerts ablieferten, war weitaus mehr als eine Hommage an die alte, britische Madrigal-Kunst oder die Reminiszenz an klassische Komponisten.
Absolut tonrein, in einer Qualität wie man sie von A-cappella-Gruppen selten hört, tauchten die Sänger in das Klangbad im Chorraum der Kirche ein. Lautsprecher und Mikrofone brauchen die beiden Countertenöre, Tenor, Bariton und Bass nicht. Und wenn es in der ausverkauften Kirche während der Darbietungen mucksmäuschenstill war, dann lag das nicht daran, dass die Herren mit ihren Stimmen nicht bis in die hinteren Reihen durchdrangen, sondern an einer nahezu andächtigen Stimmung, mit der das Publikum dem Wohlklang lauschte. Da wurde auch nur mal zwischendurch gehustet, wenn ohnehin applaudiert wurde.
Das geschah - wohlverdient, aber auch etwas Unruhe stiftend - nach jedem Stück der vokalen Zeitreise, auf der die Profis ihr Publikum mitnahmen. Angefangen bei den Werken des englischen Komponisten und Organisten der späten Renaissance, Thomas Weelkes, über Anthems seines Landsmannes und etwa 100 Jahre später lebenden Henry Purcell über Mozarts "Ave verum corpus" bis hin zu dreien der acht geistlichen Gesänge von Max Reger, als einen Vertreter der Post-Romantik, reichte die Tour. Patrick Dunachie, Timothy Wayne-Wright, Julian Gregory, Christopher Bruerton, Christopher Gabbitas und Jonathan Howard sagten abwechselnd in teils akzentfreiem Deutsch ihre nächsten Stücke an, versahen die Einleitungen mit humorigen Akzenten.
Haus- und Hof-Organist Hans-Bernhard Ruß bot mit seiner an der Orgel gespielten Fantasia f-Moll (KV 608) von Mozart nicht nur den Sängern eine wohlverdiente Pause, sondern den Ohren der Zuhörer auch eine eindrucksvolle Darbietung der örtlichen Orgel mit einem Stück, das hervorragend zum Konzertprogramm passte.
Als im Anschluss das Sextett noch einmal den Chorraum betrat, lagen plötzlich ganz andere Stücke auf dem Notenpult: "Es klappert die Mühle am rauschenden Bach" oder "Auf einem Baum ein Kuckuck saß" - Volks- beziehungsweise Kinderlieder wurden jetzt gesungen. Aber in einem Gewand, wie es wohl die wenigsten Besucher bislang gehört hatten.
Ausgefeilte Arrangements sorgten dafür, dass die Sänger hier ihre gesamte Bandbreite an rhythmischer wie harmonischer Raffinesse auspacken konnten. Bei letzterem Stück wurden sogar Beethoven und andere klassische Komponisten zitiert - ein wahres Vergnügen!
Mit einigen Songs aus ihrer letzten Einspielung, Lieder des "Great American Songbooks" brachten die King's Singers eine Hommage an die legendäre Sängerin Ella Fitzgerald zu Gehör, die in diesem Jahr 100 geworden wäre.
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