Heidelberger Frühling

Heidelberger Frühling: Levit und Capuçon spielen Brahms

Beeindruckendes Konzert beim Heidelberger Frühling: Renaud Capuçon und Igor Levit beeindrucken mit ihrer Interpretation der Violinsonaten von Johannes Brahms

Von 
Uwe Rauschelbach
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Erkundete in Heidelberg die Brahmschen Seelentiefen: Igor Levit. © Studio visuell

Wer wollte die Violinsonaten von Johannes Brahms jemals wieder in einer anderen Besetzung hören? In der ausverkauften, aber nicht bis auf den letzten Platz besetzten Aula der Neuen Universität wirkt jene Ausdrucks-intensität, dank der Renaud Capuçon und Igor Levit sich dem romantischen Stilideal annähern, beinahe unheimlich. Dabei werden die Seelentiefen, die in dieser Musik verborgen scheinen, eher behutsam und mit Respekt erkundet – was den überwältigenden Eindruck wohl erst recht begründet.

Tatsächlich wahren der Geiger und der Pianist in diesem intimen Zwiegespräch die Zartheit dieser von schicksalhaften Bezügen und personifizierten Liedzitaten charakterisierten Poesie. Gelegentlich findet sich die lyrische Klangsprache, wie im ersten Satz der „Regenliedsonate“ in G-Dur, impressionistisch verklärt. Die dynamischen Entwicklungen zeichnen das Bild eines natürlichen Fließens von Ober- und Unterströmungen, die nach Deutung verlangen – und doch letztlich auf sich selbst verweisen.

Klavier und Violine sind in diesem Spiel eng miteinander verzahnt

Klavier und Violine sind in diesem Spiel, das trotz der aufwühlenden Leidenschaften, von denen die Musik zu künden scheint, immer wieder eine erlösende Leichtigkeit erlangt, eng miteinander verzahnt. Die Rollen des Begleiters beziehungsweise des Solisten scheinen aufgelöst zugunsten einer beinahe symbiotischen Form von Einvernehmlichkeit. Es geht um wechselseitige Inspiration, nicht um künstlerisches Profil, das beide Interpreten natürlich im hohen Maß besitzen.

So viel Sehnsucht und Wehmut – und so viel Lichtvolles liegen in dieser Musik, in deren Passagen von Bangigkeit und Verzagtheit stets die Kraft der Überwindung spürbar ist, wenn diese auch aus einer tragisch empfundenen Verzweiflung erwächst. Das scherzohaft Fragmentarische des dritten Satzes scheint sich in seiner prägnanten Rhythmik selbst zu befragen, während das dumpfe Geläut der nahen Jesuitenkirche dem finalen Verklingen eine sakrale Weihe verleiht.

Die sanft aufglimmende Heiterkeit des Eingangsthemas zur A-Dur-Sonate changiert zu nordischer Melancholie – es weht ein kühler Hauch durch diesen Satz. Dank dem variablen Vibrato, das Renaud Capuçon bis zur Tonlosigkeit abdämpft, scheinen Schubertsche Verlorenheitsängste unter der kunstvollen Oberfläche zu schwelen.

Im Finalsatz legen Levit und Capuçon idyllische Gärten an

Der Kopfsatz der d-Moll-Sonate entwickelt eine enorme Sogwirkung, der sich beide Interpreten willig überlassen. Das Stück wirkt wie ein Farbenspiel mit fahlen Eintrübungen, harmonisch gezackten Konturen und scharfen Abbruchkanten.

Im Finalsatz mit seinen eruptiven Auf- und Abbrüchen legen Levit und Capuçon kleine idyllische Gärten an. Doch diesen ist keine Dauerhaftigkeit beschieden. Was uns heute romantisch scheint, hat mit dem Kampf gegen Schicksalsmächte, den Brahms auszustehen hatte und von dem uns das Konzert eine Ahnung gibt, nichts zu tun. Dass diese Musik gleichwohl versöhnlich stimmt, mag das eigentliche Wunder sein.

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